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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dazu gebe. Also zieht ihm den Strick unter den Armen hindurch, und dann hinab mit ihm!«
    Als hierauf der Scout wieder mit den gebundenen Händen und Füßen um sich stieß, wurde er an eine Eisenbahnschwelle befestigt und dann nicht eher mit derselben in den Brunnen hinabgelassen, als bis er unter einer tüchtigen Tracht von Stockschlägen still geworden war. Der Engineer war weit weniger Philanthrop als Old Shatterhand.
    Er hatte übrigens in der Zeit vom Morgen an bis jetzt an alles gedacht. Seine Arbeiter hatten ihre Gewehre nachgesehen; eine Maschine war geheizt worden, und es standen Wagen zur vielleicht notwendigen Fahrt nach Firwood-Camp bereit.
    Die sechs Westmänner erhielten, während ihre Pferde abgerieben, gefüttert und getränkt wurden, ein so ausgezeichnetes Mittagsmahl, wie es unter den hiesigen Verhältnissen möglich war, und erzählten dabei dem Engineer, was sie seit heute früh erlebt hatten.
    »Das ist besser, viel besser gegangen, als ich glaubte,« sagte er dann. »Es freut mich ungeheuer, daß wir diesen halbblütigen Schurken in unsre Hände bekommen haben; er soll nicht so bald wieder Gelegenheit finden, solche Streiche zu planen oder gar auszuführen! Und die Roten sind wirklich nach dem Camp zurück, um es zu überfallen? Wir werden ihnen dabei behilflich sein. Freue mich riesig darauf, wirklich riesig!«
    »Ich habe allerdings auf Euch und Eure Leute gerechnet,« bemerkte Old Shatterhand, »denn auf den dortigen Engineer ist grad so viel wie auf gar niemand zu rechnen.«
    »Etwas Richtigeres könnt Ihr gar nicht sagen, Sir. Er ist zwar ein Kollege von mir, und von Kollegen soll man eben kollegialisch sprechen, aber er heißt zufälligerweise Leveret 27 und ist in Beziehung auf seinen Mut genau das, was sein Name sagt. Von den Chinesen wollen wir gar nicht reden, denn die rennen beim Erscheinen des ersten Indianers in alle Winde hinaus. Ein solcher Zopfmann spielt, wenn man ihm eine Flinte in die Hand gibt, keine andre Rolle als ein Karpfen, dem man zumutet, eine Luftballonfahrt zu unternehmen. Und was die paar Weißen dort betrifft, so sind sie gar nicht der Rede wert.«
    »Das ist freilich schlimm, denn unter solchen Umständen können uns diese Leute nur Schaden, aber keinen Nutzen bringen. Am allerbesten wäre es da, wenn wir die Sache auf uns allein nehmen könnten und sie nicht eher etwas zu erfahren brauchten, als bis wir mit den Roten fertig sind.«
    »Warum sollte das nicht gehen? Wir werden über neunzig Männer sein, und ich denke, daß wir keinen Grund haben, uns vor den Roten zu fürchten.«
    »Einen solchen Grund gibt es freilich nicht; ich möchte sogar behaupten, daß die Sache abzumachen ist, ohne daß von unsrer Seite ein Tropfen Blut vergossen wird; aber wie wollen wir neunzig Mann hoch nach Firwood-Camp kommen, ohne daß die Bewohner dieses Ortes etwas davon bemerken? Es müßte Euch erlaubt sein, den Zug schon vor der Station dort halten zu lassen.«
    »Das können wir ja. Wer will es mir verwehren?«
    »Gut! Aber müßt Ihr den Abgang des Zuges nicht von hier aus nach dort melden?«
    »Eigentlich, ja; aber wenn ich es heut einmal unterlasse, wird der Himmel auch nicht gleich einfallen.«
    »Ist euch das Birch-hole bekannt, wohin der ›schwarze Mustang‹ seine Leute führen will?«
    »Grad so bekannt, wie meine eigene Tasche, Sir. Es ist eine tiefe Felsenschlucht, welche hinter dem Camp in den Berg einschneidet. Das Gestein steigt auf allen Seiten fast senkrecht in die Höhe, und es gibt nur den einen, schmalen Eingang, an welchem eine alte, sehr hohe Birke steht, von welcher die Schlucht ihren Namen hat.«
    »Hm! Dann ist es nicht sehr pfiffig von dem ›schwarzen Mustang‹, seine Leute grad dort unterzubringen.«
    »Warum? Es gibt kein besseres Versteck für sie, und er ahnt doch nicht, daß wir diese seine Absicht kennen. Mir scheint also, er hat ganz gut gewählt.«
    »Mir nicht. Kann man die Seiten der Schlucht erklettern?«
    »Bloß an einer Stelle, aber auch nur am Tage. Bei Nacht möchte ich es keinem raten, dem sein ganzer Hals noch einen Vierteldollar wert ist.«
    »Gut! Und ist es möglich, von außen her auf die Ränder der Schlucht zu gelangen?«
    Da hob der Engineer schnell den Kopf, warf einen forschenden Blick in Old Shatterhands Gesicht und antwortete:
    »Ah, Sir, ich glaube, den Plan zu erraten, den Ihr hegt!«
    »Nun, welchen?«
    »Ihr wollt uns auf die Ränder der Schlucht postieren und, wenn die Roten heimlich in dieselbe eingedrungen sind,

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