Der Schwarze Orden
abgesehen von mir, sind diese Männer die geistige Elite Europas. Zwar hat keiner von ihnen ein Amt inne – wie Sie wissen, war Norbert Engel nie Mitglied der deutschen Regierung. Aber er machte sich für uns stark, indem er die deutsche Regierung in Bonn immer wieder auf die Notwendigkeit hinwies, die Bundeswehr zu erweitern und mit den modernsten Waffensystemen auszurüsten, die es im Moment gibt. Aber jetzt sollten wir uns, glaube ich, erst mal dieses Dorf Shrimpton etwas näher ansehen. Irgend etwas stimmt damit nicht.
Außerdem würde ich gern mit Willie sprechen – und mit Arnos Lodge.«
»Ich fahre Sie hin. Wie es wohl Paula und Marler geht? Sie stehen gerade voll in der Schußlinie.«
Am Nachmittag desselben Tages betrat Otto Kuhlmann das weltberühmte Hotel Sacher in Wien. Mit seinem großen Kopf und dem breiten Mund, in dem ständig sein Markenzeichen, eine dicke Zigarre, steckte, sah der kleine, stämmige Mann wie der Filmstar Edward G. Robinson aus. Auf alle, die ihn nicht kannten, hatte sein Äußeres eine einschüchternde Wirkung. Kuhlmann schritt forsch auf die Rezeption zu, sah den Portier durchdringend an und zückte kurz seinen Ausweis.
»Chefinspektor Kuhlmann vom Bundeskriminalamt«, knurrte er. »Zeigen Sie mir die Meldekarten aller Gäste, die in den vergangenen sieben Tagen eingetroffen sind.«
»Sie sind nicht von der österreichischen Polizei«, stotterte der Portier.
»Ein Schreiben des Wiener Polizeichefs.« Kuhlmann knallte einen mit mehreren Amtsstempeln bedeckten Umschlag auf den Schalter. »Es ermächtigt mich, hier Ermittlungen anzustellen. Stehlen Sie mir nicht meine Zeit, indem Sie es lesen. Geben Sie mir das Melderegister. Dann können Sie meinetwegen, wenn Sie unbedingt wollen, Ihre eigene Zeit vergeuden und diesen blöden Schrieb lesen.«
Ohne eine weitere Frage holte der Portier einen Karteikasten hervor und schob ihn über die Theke. Rasch blätterte Kuhlmann die Meldekarten durch, während er dem Portier Zigarrenrauch ins Gesicht paffte. Er fand Marlers Zimmernummer, dann Paulas. Er schob den Karteikasten zurück und sah den Portier an.
»Vielleicht melde ich Ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft. Halten Sie also lieber den Mund. Sie könnten sonst Ärger kriegen…«
Damit ging er zum Lift. Als sich in Marlers Zimmer niemand meldete, versuchte er es in dem von Paula. Er hämmerte gegen die Tür. »Wer da?« fragte eine kultivierte Stimme. »Otto Kuhlmann.«
Marler, seine Walther in der rechten Hand, öffnete die Tür, ließ den Deutschen eintreten, machte die Tür wieder zu und schloß ab. Kuhlmann warf einen Blick auf die Waffe, dann fragte er mit gespielter Erheiterung: »Wollen Sie mich erschießen?«
»Vorerst nicht.«
Kuhlmann sah Paula auf der Couch sitzen. Mit ihrer schlanken Figur und den langen Beinen sah sie sehr gut aus. Sie hatte dunkles, schulterlanges Haar und trug eine cremefarbene Bluse zu einem dunkelblauen Rock. Als einzigen Schmuck hatte sie einen Anhänger mit einem grünen Stein um den Hals hängen. Kuhlmann ging lächelnd auf sie zu, beugte sich zu ihr hinab und küßte sie auf die Wange.
»Wie ich höre, hatten Sie Ärger. Wien ist eine gefährliche Stadt.«
»Das habe ich gemerkt. Aber woher wissen Sie das? Im übrigen, Sie sind ganz schön schnell hier.«
»Man tut sein Bestes.« Er setzte sich neben Paula auf die Couch und drückte seine Zigarre aus. »Genau wie Sie. Tweed hat mir kurz von Ihrem Besuch in der Annagasse erzählt – und von dem anschließenden Entführungsversuch. Ich war bereits am Tatort und im rechtsmedizinischen Institut, wo sie Engels Leiche haben. Jemand, der sich als Engel ausgab, rief im Wiener Polizeipräsidium an und bat mit der Begründung, vor seiner Wohnung habe sich eine verdächtige Person herumgetrieben, um Polizeischutz.«
»Wann soll das gewesen sein?« fragte Paula ruhig.
»Um Mitternacht.«
»Dann kann der Anrufer auf keinen Fall Engel gewesen sein. Es war elf, als ich seine Leiche fand. Warum dieser fingierte Anruf?«
»Oh, das ist ganz einfach.« Kuhlmann hob seine mächtige Pranke. »Die Person – oder Personen –, die für Engels Ermordung verantwortlich sind, wollten, daß es noch heute in die Zeitung kommt. Tweed hat mir erzählt, daß Sie so geistesgegenwärtig waren, ein paar Fotos von Engel zu machen.«
»Hier sind sie.« Paula holte die Aufnahmen aus ihrer Umhängetasche. »Ich weiß selbst nicht so recht, warum ich das getan habe.«
»Hauptsache, Sie haben es getan.« Kuhlmann
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