Der Schwarze Papst
gedrungen, wo ich bis vor wenigen Monaten unserem Orden diente. Nun werde ich als Lehrer für Kirchengeschichte ins Collegium Germanicum berufen.«
»Ihr entschuldigt mich, Bruder Rodrigues, ich habe heute noch viel vor.«
»Einen Moment, bitte«, rief Miguel Rodrigues und eilte ihm nach.
Sandro verlangsamte seinen Schritt nur geringfügig. »Was gibt es denn noch?«
»Ich bin beauftragt worden, ehrwürdiger Vater, Euch zur Eröffnung des Collegiums heute Abend einzuladen.«
»Falls es Euer sogenannter Mentor ist, der mir diese freundliche Einladung zukommen lässt, könnt Ihr ihm ausrichten, dass er sie sich …«
»Nein, nein«, unterbrach ihn Miguel, bevor er sich in der Wortwahl vergreifen konnte. »Keineswegs, ehrwürdiger Vater. Es ist der ehrwürdige Pater General, der Euch bittet, zu erscheinen.«
Sandro blieb abrupt stehen - wofür ihm der keuchende Miguel, dessen körperliche Konstitution eher schwächlich war, einen dankbaren Blick zuwarf.
Der Pater General. Niemand Geringerer als Ignatius von Loyola selbst, der Gründer des Ordens, den man unter der Hand auch den »schwarzen Papst« nannte, erbat seine Anwesenheit. Wobei »bitten« im Jesuitenorden lediglich eine höfliche Umschreibung für »befehlen« war. Einer Bitte Loyolas nicht zu folgen, das war nahezu gleichbedeutend mit einem Ordensausschluss.
»Wann findet die Eröffnung statt?«, fragte Sandro, der seinen freien Nachmittag gekappt sah. Wegen seiner Arbeit hatte er in den letzten Wochen viel zu selten Gelegenheit gehabt, Antonia zu sehen, und nun sollte also die Eröffnung einer Schule die ohnehin knappe Zeit ihrer Begegnung noch verkürzen.
»Zur sechsten Stunde wird eine Messe in der Kapelle in der Via dell’Umilta gefeiert, und danach findet das gemeinsame Abendmahl statt«, antwortete Miguel. »Der ehrwürdige Pater General möchte im Anschluss daran noch ein wenig mit Euch diskutieren.«
»Worüber diskutieren?«
Miguel Rodrigues zuckte ahnungslos die Schultern. »Mehr weiß ich nicht, ehrwürdiger Vater. Vielleicht findet Ihr die Antwort in der schriftlichen Einladung.« Er überreichte Sandro einen Brief, in dem allerdings auch nicht mehr stand als das, was Miguel Rodrigues bereits erwähnt hatte.
»Gut, ich werde zur sechsten Stunde da sein. Bis dann, Bruder Rodrigues. Gott zum Gruß.«
»Gott zum Gruß.« Miguel zögerte noch einen Moment, so als halte etwas, das er noch nicht losgeworden war, ihn davor zurück, zu gehen. So war es Sandro, der ihm die Entscheidung abnahm und in Richtung Piazza del Popolo, in Richtung Antonia davonging. Dort erwartete ihn allerdings eine weitere missliebige Begegnung - die mit dem Liebhaber der Frau, die er liebte.
»Was machst du denn da?«, fragte sie lachend und versuchte mit gespielter Mühe, sich aus seiner Umarmung zu winden.
»Wonach sieht es denn aus?« Er küsste sie.
Es war ein Kuss, der nicht zaghaft und nicht heftig war, nicht zu kurz und nicht besitzergreifend. Milo, fand sie, konnte hervorragend küssen, vielleicht sogar am besten von allen Männern, mit denen sie je angebandelt hatte - und das waren nicht wenige gewesen. Sie wusste jedoch, dass ihr Urteilsvermögen bezüglich Milo getrübt war, denn sie hatte sich in ihn verliebt, so wie sie sich damals in Trient auch in Sandro verliebt hatte.
»Sandro«, flüsterte sie.
Er hatte es gehört. »Was sagst du?«
»Ich wollte sagen, dass Sandro jeden Moment hereinkommen kann.«
»Na und?«
»Er soll nicht glauben, dass wir beide hier wilde Liebe machen.«
»Er ist Geistlicher und sollte gegen die Wahrheit nichts einzuwenden haben.« Doch Milo war ein Mann, der ihre Wünsche respektierte, und er löste die Umarmung. »Am liebsten würde ich dich aus Rom entführen, Antonia, und irgendwo - hin bringen, wo uns keiner kennt, weißt du das? So wie Paris Helena entführt hat.«
Sie strich ihm zärtlich über das kurz geschnittene Haar. »Ein schlechter Vergleich. Paris war ein Schwächling, der immerzu irgendwelche Göttinnen brauchte, um seine Haut zu retten, und Helena war eine eingebildete Ziege, die den Untergang der Menschheit in Kauf genommen hätte, um den schönen Paris zu kriegen.«
Milo seufzte. »Siehst du, das kommt dabei heraus, wenn ein dummer römischer Ragazzo wie ich sich mit einer Glasmalerin unterhält, einer Künstlerin. Das ist der Grund, weswegen ich wenig rede und lieber Taten sprechen lasse.«
Antonia schmunzelte. »In den letzten Tagen haben wir jede Menge Taten vollbracht. Und man muss ja
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