Der Schwur der Königin
Fernando würde mich begleiten, zumal er meine Mutter noch nicht kannte, aber dann rief sein Vater ihn unvermutet nach Aragón zurück, weil eine Delegation des Kardinals Borgia mit dem sehnsüchtig erwarteten Dispens eingetroffen war. Der Kardinal wünschte eine Friedenskonferenz zwischen Aragón und Frankreich, und auch wir sehnten uns nach Frieden. Wenn es Aragón gelang, sich den viel größeren, aggressiven Nachbarn vom Leib zu halten, hätte es endlich die nötigen Männer und Mittel, um uns in unserem eigenen Kampf in Kastilien zu helfen. Wie auch immer, jetzt waren wir zum ersten Mal seit unserer Hochzeit getrennt, und es konnte Monate dauern, bis Fernando zurückkehrte. Ich wusste, dass er mir schrecklich fehlen würde, auch wenn ich mir alle Mühe gab, mir nichts anmerken zu lassen. Ich packte ihm die Satteltaschen mit eigenhändig genähten, frischen Hemden voll, küsste ihn noch einmal beim Abschied und widmete mich dann meinen eigenen Plänen. Wenn ich ständig beschäftigt blieb, dachte ich, würde die Zeit schneller vergehen und er umso früher zurückkehren.
Da ich nicht wusste, in welchem Zustand ich Arévalo vorfinden würde, ließ ich meine Isabél, die mittlerweile fast vier Jahre alt war, widerstrebend in der Obhut von Bediensteten in unserer neuen Residenz zurück. Im Frühling 1474 brach ich dann auf, begleitet von Inés und Chacón sowie einer aus Soldaten gebildeten Eskorte. Es war eine Reise ohne Vorkommnisse, doch meine Befürchtungen hinsichtlich des Besuchs im Zuhause meiner Kindheit sollten sich als nicht unbegründet erweisen. Die Burg war noch trostloser und ärmlicher, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Tiere drängten sich in überfüllten Pferchen, und im großen Saal stank es nach Schimmel und Rauch. Meine Mutter erschien mir ausgemergelt und erschreckend gealtert. Ihre Konversation mäanderte über verschwommene Pfade zwischen Gegenwart und Vergangenheit, als wäre die Zeit ein Fluss ohne Anfang und Ende. Von Alfonso sprach sie, als lebte er noch, mich dagegen erkannte sie zwischendurch nicht mehr und starrte mich mit leerem Blick an, der sich wie ein Dornengeflecht um mein Herz rankte. Doña Clara, jetzt mit schlohweißem Haar, aber trotz ihres fortgeschrittenen Alters immer noch mit unvermindert resolutem Auftreten, informierte mich, dass meine Mutter ihre Gemächer kaum noch verließ und auch ihr geliebtes Kloster Santa Ana nicht mehr besuchte. In solch unsicheren Zeiten zu reisen sei nicht ratsam und zudem teuer, bemerkte Doña Clara. Und seit Villena aus Wut über mich die Zahlungen des Schatzamts unterbunden hatte, sei Geld bestenfalls sporadisch eingetroffen, je nachdem, was ich ihr geschickt hätte.
»An manchen Tagen haben wir nichts als Hühnchen, Linsen und ein paar Zwiebeln zu essen«, klagte Doña Clara, während ich mich innerlich darüber aufregte, dass man sogar das Feuerholz – das in der dürren Meseta ohnehin nicht im Überschuss vorhanden war – streng hatte rationieren müssen. Infolgedessen herrschte jetzt im sala eine solche Kälte, dass man Fleisch an den Deckenbalken aufhängen konnte, ohne dass es verfaulte. »Aber wir halten durch, mi niña . Was bleibt uns auch anderes übrig?«
Tags darauf, als meine Mutter und ich über unsere Stickrahmen gebeugt zusammensaßen und ich sah, wie zittrig ihre Finger die Nadel durch das Tuch manövrierten, erstickte ich schier an meiner Scham. In diesem erbärmlichen Zustand konnte ich sie unmöglich belassen, egal wie beschränkt meine eigenen Mittel sein mochten. Sie war drauf und dran, vorzeitig zu verfallen, verkrüppelt durch Nichtstun und die ihr aufgezwungenen harten Lebensbedingungen. Zumindest mussten neue Wandbehänge, Teppiche, Kohlebecken und Stoffe für Kleider beschafft werden. Und dann musste die Burg vom Turm bis zum Keller geputzt werden. Während sich Chacón zusammen mit den Soldaten an die Arbeit machte und die verfallenen Einfriedungen ausbesserte und die Lagerräume mit Wildbret auffüllte, schluckte ich meinen Stolz hinunter und schrieb Carrillo einen Brief. Trotz mehrerer versöhnlicher Botschaften meinerseits hatten wir uns seit seiner Abreise aus Dueñas nicht mehr gesehen. Nach Fernandos Worten hatte er meine Versuche allesamt »wie ein bockiges Kind von sechzig Jahren« verschmäht. Doch um die nötigen Geldmittel zu erlangen, erniedrigte ich mich jetzt noch einmal – und etwas an meiner Bitte musste sein Herz erweicht haben, denn als wir uns eines Abends gerade zum Essen an den
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