Der Schwur der Königin
seine Schuldgefühle, Trauer und, ja, aufrichtige Reue – und fühlte etwas in mir zusammenbrechen. Mir war, als läge unsere gesamte Existenz in Scherben zu meinen Füßen. »Die ganze Zeit haben wir zusammengesessen«, murmelte ich, »haben nach Gleichheit gestrebt, unser Tanto monta gerühmt … gut, jetzt haben wir es: Wir sind Gleiche, auf dem Papier. Aber wir beide wissen, dass es nie wahre Gleichheit zwischen uns geben kann, nicht, solange einer von uns solche Geheimnisse hütet.«
»Isabella, bitte. Es war eine Unbedachtheit. Sie hat mir nichts bedeutet.«
»Vielleicht. Aber mir bedeutet sie alles.« Ich machte Anstalten, mich wegzudrehen. Er sollte nicht sehen, wie zerrissen, wie verloren ich mich fühlte. Ich wollte nicht noch mehr Empfindungen vor ihm preisgeben.
»Isabella«, hörte ich ihn fassungslos sagen, »das kann doch nicht dein Ernst sein. Würdest du mich wirklich verlassen, nachdem ich meinen Fehler zugegeben habe? Willst du mir nicht wenigstens eine Möglichkeit einräumen, die Dinge zwischen uns wieder ins Lot zu bringen?«
Der Raum vor mir verschwamm in einem Nebel. Ich ignorierte ihn und ging wortlos hinaus. Vage nahm ich wahr, dass Inés und Beatriz plötzlich an meiner Seite waren und mich, vorbei an den Höflingen, durch den Saal mit den dort wartenden Granden und die Wendeltreppe hinauf in mein Gemach führten. Kaum war die Tür verriegelt, drängte es mich, dem animalischen Wutschrei und der in mir pulsierenden Trauer freien Lauf zu lassen.
Stattdessen hörte ich mich nur flüstern: »Ich brauche ein Bad.«
»Ein Bad? Aber hier gibt es kein heißes Wasser!«, rief Beatriz und knetete vor Aufregung den Stoff ihrer Robe in den Händen. »Wir werden welches aus dem Küchentrakt holen müssen.«
»Das ist mir egal!« Ich begann, mir die Kleider vom Leib zu reißen, blieb mit den Fingernägeln an den Bändern hängen, zerfetzte den empfindlichen Stoff. »Befreit mich davon. Ich habe das Gefühl zu ersticken. Ich kann nicht atmen …«
Beatriz und Inés stürzten herbei und zerrten mir Schicht für Schicht die Königinnengewänder vom Leib, bis ich zitternd in meiner Seidenunterwäsche vor ihnen stand.
»Gießt das Wasser in der Karaffe über mich«, befahl ich.
Inés schnappte nach Luft. »Aber Hoheit! Das ist vom Aquädukt und reines Trinkwasser! Es ist zu kalt. Seht Euch doch nur an! Ihr zittert ja!«
»Tut es!«
Beatriz ergriff die Karaffe. Mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen ließ ich es über mich ergehen, als sie das kalte Wasser über meinen Kopf goss. Als das eisige Wasser, das von der Quelle stammte, die Segovias alte römische Wasserleitung speiste, auf meine Haut traf, stieß ich einen kleinen, spitzen Schrei aus.
Dieser kurze, unwillkürliche Laut war das einzige Geräusch, das ich von mir geben konnte. Obwohl mein Kummer mich niederdrückte, kamen keine Tränen. Dafür saß meine Enttäuschung zu tief. Während ich dastand, das kalte Wasser über meine Brüste und Schenkel rann und diejenige Stelle kühlte, wo die Erinnerung an meine Leidenschaft saß, war ich stumm wie ein Grab.
Willenlos ließ ich es zu, dass Beatriz meine nasse Unterwäsche abstreifte, mich in ein Samttuch hüllte und zum Stuhl vor dem Kaminfeuer führte, während Inés nervös die Glut anfachte. Kein Wort gab ich von mir. Ich saß nur da und starrte in die Flamme.
Ich war die Königin Kastiliens. Um mein Schicksal zu erfüllen, hatte ich jedes Hindernis überwunden.
Und noch nie hatte ich mich so einsam gefühlt wie jetzt.
23
Die Zeit war meine Verbündete und meine Feindin.
In den vor uns liegenden Monaten galt es, so vieles vorzubereiten, dass die Stunden des Tages einfach nicht ausreichten. Gleichwohl kamen mir die Nächte endlos vor; allein lag ich in meinem Bett und starrte die Schatten an, die die flackernden Kerzen an die Wände warfen.
Gemeinsam organisierten Fernando und ich die Berufung unseres Kronrats, wobei wir auf Kompetenz achteten und es ablehnten, uns nach irgendwelchen Vorgaben hinsichtlich der Hierarchie in der Aristokratie zu richten. Adeliges Geblüt bedeutete nichts, wenn es nicht mit leidenschaftlicher Hingabe für das Reich und uneitler Pflichterfüllung einherging. Die Verantwortung für unsere prekären Finanzen übernahmen verdiente jüdische Staatsdiener wie Rabbi Abraham Señeor. Der loyale Cabrera wurde in seinem Amt als Vorsteher der Schatzkammer bestätigt. Cárdenas ernannte ich zu meinem offiziellen Sekretär, und Chacón wurde mein
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