Der Schwur der Königin
eine systematische Methode zur Durchsetzung meines Edikts auszuarbeiten. Diejenigen unter den Juden, die sich dafür entschieden, das Land zu verlassen, würden bis zum ersten August in einem von mehreren Häfen ihr Schiff besteigen müssen. Die Mitnahme von Gold, Silber oder geprägten Münzen war verboten, nicht aber die von anderen Wertgegenständen. Ihre Häuser und Geschäfte mussten sie an amtlich ausgewiesene Christen verkaufen oder übertragen. Nur widerstrebend hatte ich verfügt, dass die Auswanderungswilligen an den Häfen durchsucht und alle verbotenen Gegenstände, die sie an ihrem Körper verborgen hatten, konfisziert werden mussten. Ich war fest entschlossen, mögliche Schäden für unsere Wirtschaft durch den Verlust von Steuern und anderen Einnahmen auf diese Weise abzumildern.
Santángel, selbst ein converso , hatte sich bei diesen Vorbereitungen als von unermesslichem Wert erwiesen. Er hatte bereits Rabbi Señeor und dessen Familie überzeugt, dass es besser war, die heilige Taufe zu akzeptieren, doch dann hatten andere einflussreiche jüdische Führer, die jahrelang mit mir zusammengearbeitet, meine Armeen beliefert und meine Unternehmungen finanziert hatten, sich auf einmal meinem Dekret widersetzt und viele ihrer Gemeindemitglieder dazu gebracht, es ihnen gleichzutun. Damit waren die Juden Erpressung und Missbrauch durch Beamte ausgesetzt, die meine Anordnung auszuführen hatten, und das, obwohl ich ihnen im selben Edikt bis zu ihrer Abreise unseren königlichen Schutz zugesichert hatte. In der Folge hatte ich mein Herz verschlossen – gegen das fassungslose Entsetzen in den Mienen der Menschen, gegen die Angst und Panik, gegen das Heulen auf den öffentlichen Plätzen, gegen das Flehen um Gnade –, denn ich hoffte immer noch, dass derart drastische Maßnahmen zu Massenkonvertierungen führen und den Exodus doch noch verhindern würden. Hatten die Juden unser Land nicht ungezählte Jahre lang ihre Heimat genannt?
Nichtsdestoweniger gehörte meine Treue Kastilien, egal was passierte.
Mein Reich musste überleben.
Inés huschte um mich herum, wie immer fürsorglich um mich bemüht. »Soll ich Eurer Majestät den Schal holen? Es ist immer noch kalt draußen.«
Ich nickte dankbar, während ich versuchte, meinen zerknitterten Umhang mit den Händen glatt zu streichen. Dann ließ ich mir das dicke Wolltuch von Inés über die Schultern drapieren, ehe ich gemeinsam mit ihr zu meinem Vorraum schritt, wo der Seefahrer wartete. Dieser Mann, sagte ich mir, schien eine Begabung dafür zu haben, mich immer völlig unvorbereitet zu erwischen. Zum Glück war Fernando nicht im Palast; er war zur Jagd gegangen. Das erstickende Nichtstun am Hof hatte ihn nach Jahren der Kreuzzüge griesgrämig und unleidlich werden lassen. In den letzten Monaten war es, gelinde gesagt, schwierig mit ihm gewesen. Da wäre es mir nicht gelegen gekommen, wenn mein Mann seinen Groll an Señor Colón ausgelassen hätte. Der konnte nun wirklich nichts dafür, dass wir uns nicht zur Unterstützung seines Vorhabens aufraffen konnten.
Bei meinem Eintreten sank Colón auf ein Knie. Als er sich auf ein Zeichen von mir wieder erhob, fiel mir auf, dass er seit dem letzten Mal magerer geworden war. Sein Wams und sein Umhang waren allerdings von viel besserer Qualität – kostbarer schwarzer Samt, der jedem unserer Granden zur Ehre gereicht hätte. Seine blauen Augen zogen mich wie damals in ihren Bann, seine Stimme ebenso. »Majestad« , begann er, »ich warte seit sechs Jahren auf Eure Antwort.«
»Antwort?« Ich bedachte ihn mit einem vagen Lächeln. »Soviel ich weiß, hat meine Kommission Euch erklärt, dass Eure Absichten zwar bewundernswert, Euer Vorhaben, über das ozeanische Meer zu segeln, jedoch zu wenig begründet und zu gefährlich ist. Am Ende könnte es Euch sogar das Leben kosten.«
»Gefahren können mich nicht schrecken, wie Ihr wohl wisst«, erwiderte er. »Und Ihr habt mir die Rente weiterhin ausgezahlt, obwohl Eure Kommisson Euch geraten hatte, damit aufzuhören. Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich war der Ansicht, dass die Königin von Kastilien ihre Entscheidungen selbst trifft.«
Ich musterte ihn nachdenklich. Beatriz saß zusammen mit Juana in einer Nische nicht weit von uns und nähte. Beide beobachteten uns mit unverhüllter Faszination. Beatriz hatte den Seefahrer schon immer als Kuriosum empfunden, und Juana – auch sie im Herzen Abenteurerin – sah ich an, dass sie Beatriz’ Interesse
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