Der Schwur der Königin
Schiffe hin- und hergeworfen werden und Seedrachen marodieren. Nur mit seinem Glauben und seinen Träumen bewaffnet, zieht er los – in vielem einer jungen Infantin ähnlich, als sie von ihrem Zuhause in Arévalo aufbrach, einem unbekannten Schicksal entgegen.
Nein, ich kann nicht wissen, was Colón entdecken wird. Doch in einem bin ich mir sicher: Er wird zurückkehren. Wir gleichen uns, er und ich. Einstmals, vor langer, langer Zeit, glaubte niemand, dass ich zu Großem berufen war.
Jetzt bin ich Isabella, Königin von Spanien.
N achwort des A utors
Wer Nachforschungen über Isabél von Kastilien anstellt – in unserem Kulturkreis besser bekannt als Isabella –, wird von ihr fasziniert, aber auch befremdet sein. Mit ihrem Heldenmut und ihren inneren Widersprüchen ließ sie sich nie in eine Schublade stecken. Ehrfurchtgebietend in ihrer Entschlossenheit, eine vereinte Nation zu schmieden, war sie in ihrem Glaubenseifer häufig fehlgeleitet und leistete der berüchtigten, als Spanische Inquisition bekannten, systematischen Verfolgung Andersgläubiger Vorschub.
Isabella legte den Grundstein für ein Weltreich, das unter ihrem Enkel, Karl V., zu gewaltiger Macht anwachsen und unter ihrem Urenkel, Philipp II., seinen Höhepunkt erreichen sollte. Zu ihrem reichen Erbe gehören die rechtlichen Erlasse und Gesetzbücher, die in ihrer Regierungszeit verwirklicht wurden; die mit ihrer Unterstützung gegründeten Universitäten, an welchen auch die ersten weiblichen Gelehrten Spaniens unterrichten durften; die vielen Kathedralen und Klöster, die sie wiederherstellte und förderte, und die dunkle Bürde der Bigotterie und der Macht des »Heiligen Amtes«, sprich Inquisition. Ihr Einfluss auf Spanien war so gewaltig, dass ihre Ära zu einem Synonym für dessen Ruhm wurde: die Época Isabelina , deren Leistungen in der Kunst, Musik, Architektur und der entstehenden Nationalliteratur unter ihrer Herrschaft eine Blüte erlebten und bis heute bewundert werden.
Niemand rechnete damit, dass Isabella einmal herrschende Königin werden würde. Und als sie dieses Amt schließlich antrat, erbte sie ein durch die Gier der Adeligen und die Unfähigkeit der Könige heruntergewirtschaftetes, verarmtes, zersplittertes und zutiefst zerstrittenes Land. Zusammen mit ihrem nicht minder tüchtigen Mann, Fernando von Aragón, gestaltete sie einen modernen Staat der Renaissance, der danach drängte, seinen Platz auf der Bühne der Welt einzunehmen. Über all ihre Erfolge hinaus teilte sie die Vision eines relativ obskuren, genuesischen Seefahrers, was zur Entdeckung der sogenannten Neuen Welt und der Erweiterung des geografischen Horizonts der Europäer führte.
Jahrhunderte nach ihrem vorzeitigen Tod im Alter von dreiundfünfzig Jahren zieht Isabella immer noch die Bewunderung und die Verachtung der Geschichte auf sich. Für die einen ist sie die viel gerühmte Königin, der es gegen alle Wahrscheinlichkeit gelang, den Thron zu besteigen und Spanien vorbei an den Untiefen des Krieges zum Sieg zu führen, den anderen gilt sie als engstirnige Fanatikerin, die eine Welle der Verfolgung entfesselte und die Verelendung Tausender Juden, den Tod zahlloser Untertanen und die Plünderung des amerikanischen Doppelkontinents zu verantworten hatte.
Es ist wichtig festzuhalten, dass Isabella sowohl ein Produkt ihrer Zeit als auch eine Ausnahmeerscheinung und wie wir alle ein fehlbarer Mensch war. Immer wieder ignorierte sie die Konventionen, und dennoch wahrte sie sie. Wenn sie sich einerseits ihren Mann selbst wählte, was in ihrer Epoche nur wenige Prinzessinnen gewagt hätten, doch dann wiederum an einen Gott glaubte, der sie persönlich für die Nichterfüllung seines Willens bestrafte, so sind das Beispiele für ihre inneren Widersprüche. Weder Heilige noch Opfer, tat sie, was sie für das Beste für ihr Land hielt, obwohl einige ihrer Taten im Licht unserer weitaus aufgeklärteren Gegenwart verwerflich sind. Zu ihrer Verteidigung lässt sich vorbringen: Sie kann nicht gewusst haben, dass Kolumbus’ Entdeckungen zur Zerstörung einer reichen, äußerst lebendigen Zivilisation führen, noch dass ihre Nachfolger das eroberte Land ausrauben würden. In ihr Testament ließ Isabella eine Klausel zum Schutz der eingeborenen Völker dieser fernen Länder einfügen, die sie nie zu Gesicht bekommen sollte. Darin äußerte sie den Wunsch, dass man sie »freundlich behandeln« und zum Christentum bekehren, aber nicht zur Sklaverei verurteilen solle.
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