Der Schwur der Königin
erteilen.
Kaum waren wir wieder unter uns, zog mich meine Mutter zur Seite. »Villena war am Anfang nichts als ein gewöhnlicher Page am Hof, aber er ist schnell aufgestiegen und zu einem der einflussreichsten Fürsten Kastiliens geworden. Enrique hört auf ihn, auch wenn er anscheinend als oberster Günstling durch einen anderen ersetzt worden ist. Und sein Bruder Girón gebietet als Kommandant von Calatrava über mehr Soldaten als die Krone selbst. Das sind Männer, die man sich zu Freunden machen muss, Isabella. Granden wie sie werden unsere Interessen vertreten und gegen die Enterbung deines Bruders kämpfen.«
Ich starrte sie an. Alfonso und ich standen davor, unser Zuhause zu verlassen! Wie konnte sie da von mir erwarten, dass ich mich in der Stunde des Abschieds mit Unterricht im Intrigieren befasste? Diesbezüglich hatte ich von ihr und Doña Clara Ratschläge in Hülle und Fülle erhalten. Mir schwirrte längst der Kopf von den wochenlangen Warnungen vor der Korruption am Hof, der Zügellosigkeit der Günstlinge meines Halbbruders und der verderbten Moral der Königin; von den Intrigen seiner Höflinge und dem gefährlichen Ehrgeiz der Adeligen. Die Namen der kastilischen Granden, ihre Stammbäume und sonstigen familiären Beziehungen waren mir so gnadenlos eingebleut worden wie der Katechismus, bis eines Abends nach dem Verlassen der mütterlichen Gemächer aus mir herausplatzte, dass ich nie so tief sinken würde, zu Schlüssellöchern hinabgebeugt oder hinter Vorhängen verborgen zu lauschen. Beatriz, der ich das anvertraute, hatte genickt und beiläufig geantwortet: »Natürlich nicht. Wer hat je von einer kastilischen Infantin gehört, die sich wie eine gewöhnliche Spionin benimmt? Überlasst das mir.«
Als ich ihr nun zusah, wie sie unsere Taschen einem Diener reichte, fühlte ich mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass sie dieser Aufgabe tatsächlich gewachsen war. Seit sie von unserer Abreise erfahren hatte, war sie in ihrer Vorfreude wie ein Wirbelwind durch die Burg gefegt und hatte ihre Aufgaben so schwungvoll verrichtet, als bereitete sie eine Feier vor. Mehrmals täglich hatte sie sich im richtigen Benehmen geübt – ihre Knickse waren schauderhaft –, und am Ende hatte sie, sehr zu Doña Claras Entrüstung, verkündet, dass sie lieber den Umgang mit dem Schwert lernen würde. Das Einzige, was sie bisher bedauert hatte, war die Trennung von ihrem Vater; Don Bobadilla würde mit meiner Mutter zurückbleiben. Ich bewunderte ihren Mut, obwohl ich befürchtete, dass ihr eine unliebsame Überraschung bevorstand. Sich nach Abenteuern zu sehnen, war das eine, doch unversehens in eines gestürzt zu werden, das war etwas ganz anderes.
Wir standen gemeinsam am Burgtor und warteten auf Alfonso, der noch die Hunde ankettete, damit sie uns nicht nachlaufen konnten. Er zeigte sich unerschütterlich, doch ich sah, dass er bei Weitem nicht so zuversichtlich war, wie er vorgab. Allerdings hielt ich mich an Beatriz’ Rat und ersparte ihm jede Bemerkung über meine privaten Ängste. Die Begegnung mit Villena war Alfonsos erste Erfahrung mit einem Höfling gewesen. Ich vermutete, dass sie ihn verunsichert hatte. Offenbar dämmerte ihm langsam, was unser Aufbruch für unser Leben bedeuten würde.
Doch er wäre nicht Alfonso gewesen, hätte er nicht gute Miene zum bösen Spiel gemacht. »Der Marquis sagt, dass wir bald losreiten sollten, wenn wir Segovia vor Anbruch der Nacht erreichen wollen.«
Ich nickte. Noch einmal näherte ich mich meiner Mutter, die, ihren Schleier mit einer beringten Hand an die Kehle gepresst, auf einem Stuhl saß. Als sie sich erhob, zerrte der Wind an ihrem Schleier und entblößte silbrig weiße Strähnen an ihren Schläfen. Alfonso musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um sie auf die Wange zu küssen. Ihre Miene wurde weicher. Tränen glänzten in ihren Augen, als sie ihn fest an sich drückte und sagte: »Du bist ein Infant derer von Trastámara. Vergiss das nie.« Dann trat er beiseite, um mich vorzulassen.
Ich küsste sie auf beide Wangen. » Adiós , Mama. Gott behüte Euch. Ich schreibe, sobald ich kann.«
Sie antwortete mit einem knappen Nicken. »Gehab dich wohl, hija mia . Bleib gesund. Geh mit Gott.«
Ich wandte mich an meine aya . Noch nie war ein Tag vergangen, an dem Doña Clara nicht an meiner Seite gewesen wäre, um mich zu tadeln und zu leiten, auf mich aufzupassen und mich vor Schaden zu bewahren. Ich erwartete nicht, dass sie irgendwelche Gefühle
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