Der Schwur der Königin
Meseta hinweg Nachrichten über die königlichen Residenzen in Madrid, Segovia und Valladolid zu uns durchsickerten. Unsere Bediensteten tuschelten über alles Mögliche, und wenn man sich – scheinbar unbeteiligt – in ihrer Nähe aufhielt, schnappte man leicht das eine oder andere auf. So wusste ich, dass mit Enriques Thronbesteigung der Hof für uns ein gefährlicher Ort geworden war, da er von seinen Günstlingen und seiner habgierigen Königin beherrscht wurde. Nie hatte ich die Angst von jener Nacht, als mein Vater starb, vergessen, auch nicht den langen Ritt über Felder und durch dunkle Wälder, bei dem wir die Hauptstraßen gemieden hatten, falls Enrique Soldaten hinter uns herhetzte. Die Erinnerung hatte sich in mein Bewusstsein gebrannt, eine untilgbare Lektion darüber, dass die Wechselfälle des Lebens sich jederzeit ereignen konnten, egal, ob wir darauf vorbereitet waren oder nicht, und wir unser Bestes tun mussten, um uns den Umständen ohne großes Aufhebens anzupassen.
»Die Jungfrau von Orléans wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt«, erwiderte ich schließlich. »Ist dies das große Ziel, das wir deiner Meinung nach anstreben sollten, meine Freundin?«
Beatriz seufzte. »Natürlich nicht. Das ist ein schrecklicher Tod. Aber ich möchte gern glauben, dass wir, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, genauso wie sie Armeen zur Verteidigung unseres Landes in die Schlacht führen können. Im Moment ist es doch so, dass wir verurteilt sind, bevor wir überhaupt gelebt haben!« Sie reckte die Arme in die Höhe. »Es ist ja immer dasselbe, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für trostlosen Monat. Da frage ich mich: Werden wirklich alle Edelfrauen zu einem derartigen Dasein erzogen? Sind wir wirklich so geistlos, dass unsere einzigen Vergnügungen darin bestehen müssen, Gäste zu unterhalten und unseren zukünftigen Ehemännern zu gefallen, zu lernen, wie man beim Essen zwischen den Gängen lächelt, ohne jemals eine eigene Meinung zu äußern? Wenn es so ist, dann können wir doch gleich das Heiraten und Kinderkriegen auslassen und ohne Umwege ins Greisentum und den Zustand der Heiligkeit übergehen.«
Ich musterte sie nachdenklich. Beatriz stellte immer Fragen, auf die es keine leichten Antworten gab. Seit jeher hatte sie gewünscht, das zu ändern, was uns bereits vor unserer Geburt auferlegt worden war. Es befremdete mich, dass ich mir in letzter Zeit ähnliche Fragen gestellt hatte und wie sie unter Rastlosigkeit litt, auch wenn ich das nie offen zugegeben hätte. Mir missfiel die Ungeduld, die mich jetzt ergriff, da ich die Zukunft ins Auge fasste, denn mir war klar, dass sogar ich, eine kastilische Prinzessin, mich eines Tages dorthin verheiraten lassen musste, wohin auch immer ich befohlen wurde, und mich in das Leben zu fügen hatte, das mein Gemahl für mich vorsah.
»Es ist weder öde noch entwürdigend, zu heiraten und für Mann und Kinder zu sorgen«, hielt ich ihr vor. »Das ist nun einmal seit Anbeginn der Zeit das Los der Frau.«
»Ihr sagt nur auf, was Euch eingetrichtert wurde«, entgegnete Beatriz. »›Frauen gebären, und Männer versorgen sie.‹ Aber ich frage Euch: Warum? Warum dürfen nur wir nur einen einzigen Weg beschreiten? Wer hat gesagt, dass eine Frau nicht das Schwert und das Kreuz ergreifen und gegen Granada ziehen kann, um die Mauren zu besiegen? Wer hat gesagt, dass wir nicht in der Lage sind, wie jeder Mann unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und unser Leben selbst in die Hand zu nehmen?«
»Es geht nicht darum, wer das gesagt hat. Es ist einfach so.«
Sie verdrehte die Augen. »Tja, die Jungfrau von Orléans hat nicht geheiratet. Sie hat nicht geschrubbt, genäht oder sich den Kopf über Brautgaben zerbrochen. Sie hat eine Rüstung angelegt und ist für ihren Dauphin in den Krieg gezogen.«
»Für ihren Dauphin, der sie dann an die Engländer verraten hat«, hielt ich ihr entgegen. »Beatriz, die Jungfrau wurde von Gott berufen, um sein Werk zu verrichten. Du kannst ihr Schicksal nicht mit dem unseren vergleichen. Sie war ein heiliges Werkzeug; sie hat sich für ihr Land geopfert.«
Beatriz schnaubte abfällig, doch ich wusste, dass ich in unserem Streit, den wir seit Kindheitstagen miteinander führten, ein unwiderlegbares Argument angebracht hatte. Äußerlich zeigte ich mich gelassen, wie das immer der Fall war, wenn Beatriz mir eine Predigt hielt. Doch als ich mir ausmalte, wie meine lebhafte Freundin in einer rostigen Ritterrüstung steckte
Weitere Kostenlose Bücher