Der Schwur der Venezianerin
Beinbruch.“
Lena schaute sie an und lächelte. Beide erfreuten sich an der Morgenmahlzeit.
Beim Ankleiden hatte sich Bianca wieder erholt. Ihre Bediensteten bemerkten nichts von ihren Sorgen.
„Lena, ich werde ins Studiolo gehen. Ich muss mir noch etwas anschauen. Ist der Großherzog zurückgekehrt?“
„Nein, Eure Durchlaucht, wir haben nichts von ihm gehört.“
„Gut, so kann ich in Ruhe im Studiolo arbeiten.“
Sie begab sich unmittelbar in den wertvollen Raum im Palazzo Vecchio. Zum ersten Mal schaute sie sich ohne irgendwelche Hintergedanken in dem Raum um und erkannte viele neue Einzelheiten, die sie vorher nicht gesehen hatte. Im Verhältnis zum Salone dei Cinquecento war das Studiolo winzig. Ein Raum für höchstens zwei Personen.
Unter der gewölbten hohen Decke befanden sich mehrere Darstellungen allegorischer Figuren. Sie würde sie sich einmal genauer ansehen müssen. Doch jetzt hatte sie anderes vor. Sie griff gezielt zu einem der Bücher der Alchemisten und suchte nach einem Kapitel über Heilungen. Unter dem Stichwort Wassersucht fand sie einige Abhandlungen. Schnell begann sie in der Fonderia die Tinkturen zu bereiten, die ihr die Heilung bringen sollten. Von dem Stein der Weisen oder dem Elixier Vitae, dem Lebenselixier waren alle diese Säfte weit entfernt.
In kleinen Dosen trank sie die Tinkturen, um ihrem vermuteten Blasen- und Magenleiden entgegenzutreten. Wenn sie nun schon einmal bei einer generellen Heilkur war, gingen ihre Gedanken weiter, könnte sie sich auch allen Verfahren widmen.
Gegen die Wassersucht sollte das „Diaphoreticum Paracelsi“ helfen. Dazu löste sie Gold aus, indem sie es in einem Gemisch aus Antimonchlorid und Königswasser wusch. Nach der Destillation konnte sie die Rückstände verwerten. Um nun jedem Zweifel der Herkunft ihrer Krankheit entgegenzutreten, mischte sie sich das „Specificum purgativum Paracelsi“ aus Kupfervitriol und Weinstein und erzielte damit tatsächlich den Erfolg zur Entleerung und Reinigung.
Sie sann darüber nach, ob ihre Aktionen nicht eher einem hektischen Lösungsversuch, als einer sinnvollen, gezielten Heilung dienten. Sie nahm alles zu sich, was ihr ein wenig Rettung versprach, war für jede Anregung, die es in der noblen Welt der Florentiner zuhauf gab, dankbar.
Ihre Köchin lernte schnell, wie der Gesundheitstrank aus Schlangenkraut und Ackerschachtelhalm vorzubereiten war. Zypressen-, Pinien-, Tamarisken- und Eibensaft standen in kleinen Porzellanbehältern ständig auf ihrem Schönheitsschrank. Jeden Tag ließ sie sich morgens, mittags und abends einen Tee zubereiten. Die Tage vergingen, die Wochen, und es zeigte sich keine Besserung. Die verzweifelten Rettungsversuche blieben ohne sichtbaren Erfolg, eher fühlte sich Bianca in wachsendem Maße unwohler und kranker.
Der wertvolle Spiegel Philip II. trug nun auch nicht mehr dazu bei, Gefallen an sich zu finden und er zeigte ihr in deutlicher Schärfe jeden Morgen aufs Neue die Wahrheit.
Es war die Wahrheit Philips II.von Spanien. Wieder glitten ihr die Bilder durch den Verstand, als sie an den spanischen Herrscher dachte. Er hatte 1571 zusammen mit den Venezianern, der Flotte ihrer Heimat, die Hauptlast der Galeerenschlacht von Lepanto getragen. Bis heute war ihr nicht klar geworden, in welchem Maße sich das reiche und mächtige Florenz daran beteiligt hatte.
Immer mehr wurde ihr das Geschenk des Spaniers zu einem wahrhaftigen Spiegelbild ihres Lebens.
Sie kam nicht mehr daran vorbei, die Tatsache zu erkennen. Die Wassersucht verunstaltete sie in zunehmendem Maße. In allen Hohlkörperteilen, wie Brustraum, Bauch, Herz, Gelenken, aber auch der normalen Haut könnte sich das Wasser ansammeln, hatte sie gelesen und es wäre notwendig, es abzuführen.
Das Kraut und die Tinkturen sollten dabei helfen. Die Ergebnisse sprachen etwas anderes. Mit Erschrecken stellte sie den Verfall ihrer Schönheit fest. Bisher sah sie gerade in dieser Schönheit den wirklichen Stein der Weisen. Sie verwelkte wie ein Blatt vom Baum nach dem ersten Frost. Eine schmerzende Erkenntnis rang sich bei ihr durch. Bianca musste erkennen, dass sie bis jetzt nicht das unscheinbarste Mittel in den Händen hielt, diese Krankheit aufzuhalten, geschweige denn zu heilen.
Die Abwesenheit Francescos veranlasste sie, mehr und mehr über sich selbst nachzudenken.
Und eine andere Erkenntnis machte ihr weit größere Sorgen. Wenn die Schönheit zusehends verschwand, was blieb von ihr übrig? Was hatte
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