Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gerichtet. Ich nehme nur den Skalp eines Mannes, den ich besiegt habe. – Diesen hier hat der Zorn des gerechten Manitou erschlagen, an demselben Orte, an welchem er den Mord beging. Verstehest du nun die Schrift, welche ich dir zu lesen gab?«
    »Vollständig,« antwortete ich.
    »›Brennende Pfeife‹ kann nicht schreiben. Er hat die Schrift von dem großen Häuptling Winnetou machen lassen, dem er alles erzählte. Du bist der Bruder dieses berühmten Kriegers, und darum will ich dir die Schrift schenken. Siehe, der Elende öffnet die Augen. Vielleicht kannst du noch mit ihm sprechen. Ich aber gehe; er ist der Mörder meines Vaters; ich hätte ihn getötet, aber sein Wimmern mag ich nicht hören. Der rote Mann hat auch ein Herz, gerade wie das weiße Bleichgesicht; er will schnell strafen, aber nicht langsam martern.«
    Er kehrte zu Joseph und dessen Mutter zurück. Wir aber hatten noch eine schlimme Viertelstunde zu überstehen, die Sterbeminuten des Mörders. Das Bewußtsein kehrte ihm zurück; er fühlte, daß der Tod ihm nahe sei und gestand alles. Zwar fehlte ihm die Kraft zur zusammenhängenden Rede, aber er konnte unsere Fragen doch mit Ja oder Nein beantworten. So erfuhren wir, was wir uns eigentlich selbst schon ergänzen konnten.
    Er hatte bemerkt, daß der ihn verfolgende ›brüllende Stier‹ die Nuggets nicht bei sich führte, sie also vergraben hatte. Er führte den Indianer irre und kehrte nach dem Schauplatz des Ueberfalles zurück. Dort machte er unter vieler Mühe ein Loch für die Leichen, damit der Mord ein Geheimnis bleibe. Einige Tage später schoß er auch noch den Bruder des Ermordeten nieder, um sich bei der Frau als willkommener Beschützer einführen zu können. Dann konnte er in aller Bequemlichkeit nach dem Golde suchen. Es gelang alles, nur die Hauptsache nicht: er konnte die Nuggets nicht finden. Der Durst nach dem Golde und die Qualen seines Gewissens brachten ihn dem Wahnsinn nahe. Er litt keinen Fremden, damit ja nicht durch irgend einen Zufall etwas entdeckt werde. So waren Will und ich abgewiesen worden, und so hatte er auch den ›kleinen Hirsch‹ fortgejagt, welcher sich lahm stellte, um unter diesem Vorwande bei ihm Eintritt zu erhalten.
    Gott richtete ihn nach seiner Allgerechtigkeit. Gerade jetzt lag der Mörder auf der Stelle im Sterben, unter welcher die Gebeine der von ihm Verscharrten lagen, und noch in seinen letzten Augenblicken mußte er von uns erfahren, daß das so lange vergebens gesuchte Gold gefunden worden und in die Hände des von ihm gehaßten Knaben komme.
    Und doch verfuhr der Barmherzige noch gnädig mit ihm: Die zermalmten Glieder verursachten ihm keine Schmerzen; er schlief ein, ohne einen Seufzer auszustoßen. –
    Wir meldeten seinem Weibe das Geschehene. Sie mochte ihn nicht sehen und that recht daran. Wir Zwei haben ihm das Grab gemacht und ein Vaterunser über demselben gebetet.
    Der ›kleine Hirsch‹ ritt bald von dannen. Er ließ sich nicht halten. Und als die schwer geprüfte Frau ihm einen Teil des Goldes anbot, sagte er stolz:
    »Behalte deinen Staub. Der Apache weiß, wo Gold in Menge zu finden ist, aber er sagt es keinem Menschen und verachtet es. Der große Geist hat den Menschen erschaffen, nicht daß er reich, sondern daß er gut werde. Möge er dir von nun an soviel Glück geben, wie du bisher Leid erfahren hast!«
    Er stieg auf und ritt von dannen.
    Am andern Vormittag verließen auch wir die Gegend, Joseph und seine Mutter mit uns nehmend. Der alte Gaul trug das Gold, der Fuchs die Lady und mein Brauner den Knaben; Will und ich schritten nebenher. Im nächsten Settlement, wo Mutter und Sohn eine bessere Reisegelegenheit abwarten konnten, nahmen wir Abschied von ihnen, denen die Windhose so schlimme Aufklärung, dafür aber auch die Mittel zu einer besseren Existenz gebracht hatte.
    Und was aus Joseph und dem ›kleinen Hirsch‹ geworden ist? Der Apache ist jetzt ein berühmter Krieger, und aus dem blauäugigen Joseph ist, so jung er noch ist, ein tüchtiger Regierungsbeamter geworden, welcher vor nicht gar langer Zeit im Felsengebirge ein höchst wunderbares Wiedersehen mit dem ›großen Hirsch‹ gefeiert hat. Doch davon vielleicht das nächste Mal! – – –
[Fußnoten]
    1 Präsident der Vereinigten Staaten.
     

Maghreb-el-aksa
Von Karl May
    »Maghreb-el-aksa«, d.i. »der äußerste Westen«, lautet der arabische Name Marokkos, dessen Sultan jüngst von einer rachgierigen tunesischen Odaliske Gift erhalten haben soll. Der

Weitere Kostenlose Bücher