Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
ich den Weg, der zum ewigen Leben führt: Liebet Gott; liebet alle Menschen, ja, liebet sogar Eure Feinde! Ich werde ihn von jetzt an wandeln und nie wieder von ihm weichen! Du warst mein Lehrer im Gebet; Du bist mein Lehrer auch in der Liebe. Sei der Gast Deiner Schülerin, solange es Dir gefällt; denn Dir gehört alles, alles, was ich habe!«
»So bist Du also zufrieden mit dem Lösegelde, welches ich Dir aus Kirmanschah geholt habe?« fragte ich lächelnd.
»Sprich nicht so, Effendi; sprich nicht so! Du hast uns nicht Gold und Silber gebracht, sondern mehr, viel mehr: das Leben meiner Kinder, den Glauben und die Liebe; Du hast mir Gott gegeben und mich ihm! Und solche Männer schleppten wir in die Gefangenschaft und forderten Geld für ihre Freiheit! Ich werde mich dafür anklagen und verurteilen, solange ein Leben in mir ist! Komm’, gib mir Deine Hand! Sie ist die liebste, die ich je mit der meinigen berührte. Laß Dich in meine Hütte führen, wo Du wohnst, bis wir Dir eine würdigere errichtet haben!«
»Thut das nicht! Ihr müßt fort von hier! Ihr dürft nicht eher wieder die Nähe von Kirmanschah aufsuchen, als bis der Sand der Zeit die Spuren des gestrigen und heutigen Tages verweht hat.«
»Du hast Recht. Wir brechen morgen früh das Lager ab und ziehen nach Norden bis in die Gegend des Demirludagh, wo uns kein Spruch aus Kirmanschah erreichen kann; aber Ihr zieht mit, als Gäste unseres Stammes, sonst bleiben wir lieber hier und trotzen der Gefahr!«
»Zwei Wochen wollen wir Euch schenken; mehr haben wir nicht übrig; aber am Ende unserer Reise kehren wir vielleicht für längere Zeit zu Euch zurück.«
Das wurde angenommen. Unser Weg zur Hütte der Nezaneh war räumlich ein sehr kurzer; aber es dauerte lange, ehe wir dort ankamen. Die Ihlauts standen trotz des Regens alle im Freien, um uns die Hände zu drücken und irgend ein Freundschaftswort zu sagen. Wir wurden von einer Gruppe der andern zugeschoben; denn diese braven Menschen, welche der Buchgeograph als Halbwilde bezeichnet, besaßen das, was man beim gebildeten Abendländer so oft vergeblich sucht, ein Herz voll echter Dankbarkeit und wahrer, überquellender Liebe.
Als später der Regen aufhörte und die Sonne ihre warmen Strahlen zu unserer Feier spendete, blieb kein Mensch mehr unter seinem Zelt-oder Hüttendache. Das war ein Gaudium für meinen Hadschi! Er schien allgegenwärtig geworden zu sein, denn er war überall zu sehen und zu hören. Er mußte doch meinen – – als Folie zu seinem – Ruhm nach allen Richtungen hin verkünden und aus der Posaune seines beredten Mundes schmettern! Als es Abend geworden war, kannten die Idiz alle Heldenthaten, die wir verrichtet hatten, und noch viele mehr, die ganz nach Bedürfnis in seinem Kopfe entstanden. Da gab es kein Aufhalten, kein Verhindern; ich mußte ihn ungestört reden lassen, denn ich kannte ihn. Er war von fast beispielloser, überfließender Laune. Daß Hanneh, »die herrlichste Blume unter allen duftenden Blüten des Orients«, in den meisten seiner Erzählungen eine hervorragende Rolle spielte, versteht sich ganz von selbst. Als er eben wieder einmal die Unvergleichlichkeit ihrer Vorzüge mit glühender Begeisterung pries, fiel sein Auge auf die eben herbeitretende Nezaneh; das gab seinen Gedanken eine andere, mehr praktische Wendung; er unterbrach sich selbst und warf ihr die plötzliche und ganz unvorbereitete Frage zu: »Also wieviel kostet die Büchse von Deiner Salbe der Verschönerung?«
»Für Dich kostet sie nichts,« antwortete sie.
»Und zwei Büchsen?« – »Nichts.«
»Und zehn Büchsen?« – »Auch nichts.«
»Aber fünfzig Büchsen?«
»Willst Du denn alle Harimat der Haddedihn verschönern?«
»Nur das meinige; aber es kommt doch wohl darauf an, wie sehr schön man es haben will: je schöner, um so mehr Salbe! Würdest Du mir, oh Umm ed Dschamahl, wohl sagen, welcher Offenbarung Du die Zubereitung dieses Segens zu verdanken hast?«
»Ich weiß es nicht anders, als daß ein berühmter Hekim, 48 der ein Vorfahre von mir war, Scheheresade, den Liebling Harun al Raschids, einst von einer tödlichen Krankheit rettete, wofür sie ihm aus Dankbarkeit das Geheimnis ihrer immerwährenden Jugend und Schönheit mitteilte. Er hat es auf seine Nachkommen vererbt, welche alle sehr alt geworden und doch bis in ihre letzten Tage jung geblieben sind. Ich bin alt und dennoch jung; meine Mutter war noch älter, und deren Mutter zählte der Jahre über
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