Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
der britischen Mission kamen an solchen Bedauernswerten vorüber, bei deren Anblick biblische Erinnerungen erwachen; dann lagerten sie, als letzte Rast vor der Hauptstadt, bei einem Palmenwalde, an einem Wasser, welches ihnen und ihren müden Tieren reichliche Erquickung bot.
Das war im April. Sie durften friedlich unter Palmen wandeln, und bei den Pulverspielen waren die Flinten blind geladen. Jetzt rüstet man dort zum mörderischen Kampfe. Dieses herrliche Land hat schon so viel Blut getrunken. Es steht unter dem Zeichen des Halbmondes. Geben wir es – fi aman allah – in Gottes Schutz!
Der Scout
Reiseerlebniß in Mexico von Karl May
1. Kapitel
Ein Gedicht
Greenhorn – – eine höchst ärgerliche und despectirliche Bezeichnung für Denjenigen, auf welchen sie angewendet wird. Green heißt grün und unter Horn ist Fühlhorn gemeint. Ein Greenhorn ist demnach ein Mensch, welcher noch grün, also neu, unerfahren im Lande ist und behutsam seine Fühlhörner ausstrecken muß, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, ausgelacht zu werden. In diesem Sinne wendet der Yankee und besonders der Bewohner des wilden Westens, der Frontier, der Squatter und Trapper dieses Wort an.
Ein Greenhorn ist ein Mensch, welcher nicht von seinem Stuhle aufsteht, wenn die Lady sich auf denselben setzen will; welcher den Herrn des Hauses grüßt, ehe er der Mistreß und Miß seine Verbeugung gemacht hat, welcher beim Laden des Gewehres die Patrone verkehrt in den Lauf schiebt oder erst den Pfropfen, dann die Kugel und zuletzt das Pulver hineinstößt. Ein Greenhorn spricht entweder gar kein oder ein sehr reines und geziertes Englisch; ihm ist das Yankee-Englisch ein Greuel, das ihm nicht in den Kopf und nicht über die Zunge will. Ein Greenhorn hält ein Racoon für ein Opossum und eine leidlich hübsche Mulattin für eine reizende Quadroone. Ein Greenhorn raucht Cigarretten und verabscheut den tabakssaftspeienden Sir. Ein Greenhorn läuft, wenn er von Paddy eine Ohrfeige erhalten hat, mit seiner Klage zum Friedensrichter, anstatt wie ein richtiger Yankee soll, den Kerl einfach niederschießen. Ein Greenhorn hält die Tapfen eines Turkey cock für eine Bärenfährte und eine Sportyacht für einen Missisippisteamer. Ein Greenhorn genirt sich, seine schmutzigen Stiefeln auf die Kniee seines Mitpassagieres zu legen und seine Suppe mit dem Schnaufen eines verendenden Büffels hinab zu schlürfen. Ein Greenhorn schleppt der Reinlichkeit wegen einen Waschschwamm von der Größe eines Kürbis und zehn Pfund Seife mit in die Prairie und steckt sich dazu einen Compas bei, welcher nach jeder andern Himmelsrichtung, niemals aber nach Norden zeigt. Ein Greenhorn notirt sich achthundert Indianerausdrücke, und wenn er dem ersten Rothen begegnet, so bemerkt er, daß er diese Notizen im letzten Couvert nach Hause gesandt, den Brief aber in das Feuer geworfen hat. Ein Greenhorn – nun, ein Greenhorn ist eben ein Greenhorn, und so ein Greenhorn war damals – – auch ich!
Aber man denke ja nicht etwa, daß ich jemals die Ueberzeugung oder wenigstens die Ahnung gehabt hätte, daß diese kränkende Bezeichnung für mich passe! O nein, denn es ist ja die hervorragendste Eigenthümlichkeit eines Greenhorns, jeden Andern, aber nur nicht sich selbst für »grün« zu halten.
So war es auch mit mir. Ich hatte das wohlthuende Bewußtsein, trotz meiner Jugend bereits sehr, sehr viel gelernt und erfahren zu haben, rieb mir wohlriechende Oele in die Frisur und freute mich über den kleinen, netten Fuß, mit welchem ich in den engen Lackstiefeletten renommiren konnte. Gummistege an den Hosenbeinen und drei Sorten von Bartwichse im Reisenécessaire, eine auffallend breite, goldene Uhrkette – – unter vier Augen, sie war nur Talmi und hatte in Bremen einen Thaler zehn Silbergroschen gekostet – –, Chapeau claque und seidener Regenschirm mit dickem, eleganten Elfenbeingriffe – – war leider nur gebleichter Knochen – –, so forderte ich mein Jahrhundert und also auch die Vereinigten Staaten in die Schranken.
Notabene habe ich da nicht etwa meine ganze damalige Ausstattung beschrieben. Meine eigentliche Ausrüstung war im Reisekoffer untergebracht. Sie bestand aus mehreren Anzügen verschiedenen Genre’s, einigen Perrücken, vielen falschen Bärten und ähnlichen polizeiwidrigen Gegenständen, welche aber doch von der Polizei gebraucht werden. Sollte man aus dem Besitze dieser Gegenstände schließen, daß ich ein reisender Einbrecher gewesen
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