Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Mosquitenschar tanzte um den aufsteigenden Rauch einen sehr bewegten Reigen und ließ dabei ein feines, silbernes Klingen hören, welches plötzlich durch das unstäte, heftige Summen eines großen, dicken Nachtfalters unterbrochen wurde, der mit tölpelhafter Rücksichtslosigkeit mitten unter sie hineinschoß, aber auch sofort seine Strafe erlitt: er versengte sich die Flügel und fiel in die Flamme.
Vis-à-vis
von mir, auf der andern Seite der schmalen Bucht, erhob ein Frosch seine Stimme; er mußte ein riesenhafter Kerl sein, denn sein Quaken war ein förmliches Brüllen zu nennen. Er schien sich über meine Gegenwart höchst beleidigt zu fühlen, denn er ließ nicht jenes kurze, tief befriedigte »Quak!« oder jenes lang gezogene, glückselige, »Qu – aaaak!« hören, mit dem ein normal gestimmter Froschbariton sein breites Maul aus dem Wasser schiebt, sondern es war ein höchst ärgerliches Belfern, ein beleidigendes, aller Rücksicht und Hochachtung bares Räsonieren, was er hören ließ, die reinste, ausgesprochenste Verbalinjurie, und – – – doch halt, was war das?
Der Frosch brach plötzlich ab, und ich hörte, daß er in das Wasser zurückfuhr. Er war gestört worden; aber wodurch? von wem?
Wer jahrelang und unter tausend Gefahren sich im »wilden Westen« aufgehalten hat, der weiß jeden, auch den kleinsten Laut der Natur zu beurteilen. Ein Zweig knickte drüben, ein dürrer, dünner Zweig, der auf dem Boden gelegen hatte; ich hörte es deutlich, und so leise dieser Ton gewesen war, sagte er mir doch, daß er von dem Fuße eines Menschen verursacht worden sei. Zerbricht ein Aestchen, ein Zweig in der Höhe, so hat dies wenig zu bedeuten, denn es ist vom Winde oder von einem Tiere geschehen, knickt das Holz aber am Boden, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß ein Mensch in der Nähe ist. Und ein alter Waldläufer weiß an dem Geräusch sehr genau zu entscheiden, ob der Zweig von dem elastischen Fuße eines schleichenden Tieres oder dem weniger biegsamen eines Menschen zerbrochen wurde. Er weiß sogar durch langjährige Uebung zu bestimmen, ob das Geräusch durch den hartsohligen Stiefel eines Weißen oder den weichen, nachgiebigen Mokassin eines Indianers hervorgebracht ist.
Ich wäre in diesem Augenblicke eine jede Wette eingegangen, daß sich ein Indianer da drüben jenseits der Bucht befinde, und dies konnte nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge keineswegs ein beruhigender Gedanke für mich sein.
Ich gestehe nämlich freimütig, selbst auf die Gefahr hin, vielerorts anzustoßen, daß ich das bisherige Verhalten der Weißen gegenüber den Roten nicht billige. Auch der Indianer ist Mensch und steht im Besitze seiner Menschenrechte; es ist eine schwere Sünde, ihm das Recht, zu existieren, abzusprechen und die Mittel der Existenz nach und nach zu entziehen. Man halte im Vereinigten Staaten-Kongreß noch so schöne Reden; man sende dem sogenannten »Wilden« Missionäre, Agenten und alle möglichen anderen Sorten von »Zivilisatoren«, der Unparteiische aber wird die Rede von der That zu unterscheiden wissen.
Der Indianer befand sich im vollständigen Besitze des Landes; er war Herr des Bodens und seiner Erzeugnisse; er lebte auf diesem Boden nach seiner individuellen Art und Weise und befand sich wohl dabei. Keine einzige indianische Ueberlieferung spricht von einem solchen Blutvergießen, wie es kurz nach der Einwanderung der Weißen begann und noch heute fortgesetzt wird. Die ersten Weißen wurden fast wie Götter aufgenommen und geehrt, aber diese Götter zeigten bald sehr menschliche oder vielmehr unmenschliche Eigenschaften. Man denke nur an die spanischen Konquistadores, welche das heilige Kreuz auf ihren Fahnen trugen, aber Fluren und Felder vernichteten, Städte und Dörfer zerstörten und dadurch, daß sie die Wasserleitungen in Ruinen legten, das Land in eine große Oede verwandelten. Finsterer Zelotismus, fieberhafte Goldgier, Verrat und maßlose Selbstsucht haben das Leben von Millionen friedlicher Menschen vernichtet und unsre Geschichte um die Fortentwicklung einer eigenartigen, wohlberechtigten Kulturform gebracht. So in Peru und in Mexiko. Und in den Vereinigten Staaten? Der Indianer soll sterben, und er wird also sterben, es ist daher unnütz, zu philosophieren; aber man beurteile ihn nicht nach Berichten aus zehnter und zwölfter Hand, auch nicht nach seinem jeweiligen Feindseligkeiten, zu denen er immer wieder getrieben wird; man suche ihn auf, vertraue sich ihm an und
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