Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
in unsrer Hintermannschaft ein bewährter Rugbyspieler, der ihn mit einem fliegenden Tackling zur Strecke brachte.
»Die Schmetterlinge sind schon schlafen gegangen«, ächzte der überwältigte Regierungsbeamte. »Oder vielleicht haben sie heute in einer anderen Gegend zu tun.«
Dann langte er mit zitternder Hand in seine Hemdtasche und zog einen toten Schmetterling hervor.
»Hier... das... so sehen sie aus«, stotterte er. »Einer wie der andre. Wenn man einen gesehen hat, hat man alle gesehen...«
Wir besichtigten das Exemplar. Es war ein gut entwickeltes Männchen mit braunen Flügeln und einer Andeutung von gelb an den Spitzen. Der linke Flügel war leicht lädiert.
Ich fragte den Führer, wie viele Touristen jährlich die Insel besuchten. Er schätzte, daß es allein während der Schmetterlings-Saison mindestens eine Million sein müsse.
Ich dankte ihm und schnitzte mit meinem Taschenmesser folgende Inschrift in den Stamm des nächsten Baumes:
WANDERER, KOMMST DU NACH SPARTA, VERKÜNDIGE DORTEN,
DER LETZTE RHODOS-SCHMETTERLING STARB, DA NOCH BYZANZ HIER REGIERT.
Als unsrem Führer innewurde, daß wir ihn nicht zu lynchen planten, gewann er seine Haltung zurück und wollte mit der ganzen Geschichte plötzlich nichts zu tun haben. Niemand, so beteuerte er, hätte die leiseste Ahnung, warum dieses Tal das »Tal der Millionen Schmetterlinge« hieß. Kein einziger Schmetterling sei hier jemals gesichtet worden. Wahrscheinlich brächen sie schon auf dem Weg hierher zusammen.
Jetzt wollten wir wenigstens wissen, warum das Tal so auffallend schmetterlingsfrei wäre? Wie sei das zu erklären? Durch DDT? Durch ein andres Vertilgungsmittel? Wie?
»Ich weiß es wirklich nicht«, murmelte der Ärmste.
»Meine einzige Erklärung ist, daß ein Schmetterling, selbst wenn er sich einmal in der Zeit hierher verirrt, gleich wieder wegfliegt, weil er sich langweilt...«
Aus humanitären Erwägungen gaben wir ihm ein Trinkgeld. Er begann haltlos zu schluchzen. So etwas war ihm noch nie passiert, seit es das Tal der Millionen Schmetterlinge gab...
Auf dem Rückweg versuchten wir, ein paar Fliegen oder Moskitos stellig zu machen. Nicht einmal das gelang uns. Am meisten jedoch erbitterte uns die Erinnerung an jene Lumpenbande, deren schurkische Vorspiegelungen uns auf halbem Weg ins Tal der Millionen Schmetterlinge weitergetrieben hatten...
An einer Wegbiegung kam uns eine schwitzende Gruppe ausländischer Touristen entgegen.
»Wie sind die Schmetterlinge?« riefen sie erwartungsfroh schon von weitem.
»Phantastisch!« antworteten wir. »Millionen von ihnen! Unübersehbare Mengen in den tollsten Farben! Hoffentlich habt ihr Stöcke mit, falls sie über euch herfallen...«
Auf allen vieren erreichten wir unser Taxi. Der Führer hatte die lange Wartezeit ausgenützt, um mit anderen Touristengruppen mehrere Abstecher zur »Höhle der heulenden Geister« zu machen. Was die Schmetterlinge betraf, so erklärte auch er sich für unzuständig.
»Wie soll ich wissen, ob es sie gibt oder nicht?« meinte er achselzuckend. »Ich war noch nie in diesem idiotischen Tal.«
Erst jetzt fiel uns auf, daß dieses Tal genauso idiotisch gewesen wäre, wenn es dort zufällig Schmetterlinge zu sehen gegeben hätte. Oder ist das vielleicht eine Beschäftigung für erwachsene Menschen, Schmetterlinge anzuglotzen? Ausgerechnet Schmetterlinge?
Eine Bitte an den geneigten Leser:
Der geneigte Leser möge nicht etwa glauben, daß ich ihm diese Schmetterlingsgeschichte in sarkastischer Absicht erzählt habe. Wenn es ein Land auf Erden gibt, das für die diversen Tricks des Fremdenverkehrs aufrichtige Bewunderung hegt, dann ist es unser kleines, armseliges Israel. Im Grunde sind wir ganz ähnlich dran wie Rhodos. Besäße Rhodos auch nur ein paar mittelgroße Pyramiden, so könnte es auf die Erfindung von Schmetterlingen glatt verzichten. Erfindungsgeist ist das Salz der Armen. Ausländische Besucher nach Italien zu locken, wo man auf Schritt und Tritt mit Statuen von Michelangelo zusammenstößt, ist keine Kunst. Auch versteht es sich von selbst, daß man in die Schweiz fährt, um auf ihren schneebedeckten Bergeshängen dem Skisport zu obliegen. Gar nicht zu reden von Frankreich mit seinem betörenden Gleichgewicht von Kathedralen und Restaurants.
In Israel hingegen werden Statuen, Schnee, Kathedralen und Restaurants auf eine geradezu sträfliche Weise vernachlässigt.
Auch wer kein Querulant ist, muß ernsthaft bemängeln, daß man
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