0396 - Mord-Marionetten
»Was war das eigentlich für ein Zeug?«
Er schwelgte in lateinischen Fachausdrücken. Und da Latein in der Schule noch nie zu meinen starken Fächern gehört hatte, musste ich passen, winkte ab und sagte lachend: »Okay, Doc, ich glaube Ihnen alles.«
Der Arzt brachte mich noch zur Tür seines Zimmers. »Auf Wiedersehen, Oberinspektor.«
»Das nicht.«
»Wieso?«
Ich tippte gegen seine Brust. »Nichts gegen Sie persönlich, Doc. Aber hier möchte ich Sie so schnell nicht wiedersehen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Er verstand jetzt und lachte laut. »Ja, da haben Sie Recht, Mr Sinclair. Ich hätte es an Ihrer Stelle ebenso gesehen.«
Nichts hielt mich mehr. Im Gang wartete Suko. Er war gekommen, um mich abzuholen.
»Wieder in Ordnung, John?«
»Ich könnte Bäume ausreißen.«
»Wo denn?«
»In der Wüste.«
Wir lachten beide, dabei war mir vor drei Tagen noch das Lachen vergangen. Eine schlimme Zeit lag hinter mir. Es war einer Frau gelungen, mich in eine so raffiniert gestellte Falle zu locken, dass ich nichts mehr gewesen war als ein Sklave. Ich hatte mich in ihren Fängen befunden und war wie schmelzendes Wachs gewesen.
Angeblich hatte die Frau, sie hieß Moira Cargal, sogar noch mit mir geschlafen. Das mussteman sich mal vorstellen. Ich, John Sinclair, hatte mit einer Voodoo-Queen im Bett gelegen! Das wäre nie vorgekommen wenn ich nicht unter Drogen gestanden hätte. Und wäre Suko nicht aufgetaucht, um den Fall praktisch von hinten aufzurollen, hätte es einen John Sinclair weniger gegeben.
Vor dem Krankenhaus auf der großen Treppe atmete ich zunächst einmal die herrliche Luft ein.
Es war ein wunderschöner Tag. Eine strahlende Sonne stand am Himmel. Nicht mehr so hoch wie im Juni, schließlich hatten wir September, aber nicht weniger prächtig und vor allen Dingen nicht so heiß. Ein kühler Wind wehte auch an diesem Morgen, und in der vergangenen Nacht hatten sich die Temperaturen bereits dem Gefrierpunkt genähert.
»Hast du keine Lust, ins Büro zu fahren?«, fragte Suko, weil ich stehen geblieben war und den Tag genoss.
»Eigentlich nicht.«
»Dann bringe ich dich nach Hause.«
»Nein, nein, lieber ins Büro.« Ich legte Suko die Hand auf die Schulter. »Und noch etwas. Habe ich mich schon bei dir bedankt, dass du mich…?«
»Erzähl keine Märchen, Mensch. Sonst erinnere ich dich daran, dass du mich auf der Insel Voodooland aus dem verdammten Sarg herausgeholt hast. Wir sind mal wieder quitt.«
»Voodooland.«
»Okay.«
Suko war mit dem Bentley gekommen. Er hatte den Wagen unter den großen, starken Ästen alter Platanen abgestellt. Das Laub hing noch voll am Baum, auch wenn es hier und da bereits einen leicht gelblichen Schimmer zeigte. Der Herbstbeginn war nicht mehr weit.
Als wir in den Wagen stiegen, war es genau zehn Uhr. Suko wollte fahren. Ich machte es mir auf dem linken Sitz bequem und atmete zunächst tief ein.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte mein Freund.
»Dieser Geruch tut nach der Krankenhausluft irgendwie gut.«
Mein Freund winkte ab. »Wenn man mit dir spricht, hat man das Gefühl, als wärst du zehn Wochen weg gewesen.«
»So lange kam es mir auch vor.«
Suko fuhr an. Ich lehnte mich zurück. Vorgestern noch hatte ich tief und fest geschlafen, heute dagegen fühlte ich mich fit und schaute mit wachen Blicken aus dem Fenster, wobei ich so tat, als würde ich London, meine Heimat, zum ersten Mal sehen.
Ein herrlicher Flecken Erde. An diesem Tag regte mich der Betrieb, den ich sonst oft genug verfluchte, nicht auf. Ich genoss den Wirbel, das Hupen, quietschende Reifen, und sogar die verdammten Abgase kamen mir an diesem Tag nicht so schlimm vor wie sonst.
Das Leben hatte mich wieder.
»Gab es Neuigkeiten?«, fragte ich Suko.
»Kaum.«
»Also doch.«
»Wir haben versucht, etwas aus Moira Cargal herauszubekommen.«
»Und?«
»Die schweigt wie eine Auster. Es grenzt schon an ein Wunder, dass sie uns überhaupt ihren Namen genannt hat. Jedenfalls ist sie noch immer fest entschlossen, die Nachfolge ihres Bruders aufzubauen und über Zombies zu kommandieren. Ich frage mich nur, wie sie das anstellen will, wenn sie gegen die Gitterstäbe einer Zelle starrt.«
Ich hob die Schultern. »Normalerweise hat sie keine Chance. Aber lehre du mich dieses Weib kennen. Die bringt es fertig und holt selbst den Teufel aus der Hölle. Moira ist eine Frau, die allein vom Hass geleitet wird. Man muss sie immer kontrollieren.«
»Der Ansicht bin ich
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