Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
kein keimfähiges Saatgut hervorbringen können – der Landwirt kann sein Saatgut nicht mehr selbst erzeugen. Er ist gezwungen, es jedes Jahr von Neuem beim Konzern zu kaufen. Die genveränderten Sorten, die die Menschenmassen ernähren sollen, stehen auf einer gefährlich schmalen genetischen Basis. Ein neuer Virus, ein Keim, ein Pilz – und die Hungerkatastrophe ist da. Es wäre nicht das erste Mal: Mitte des 19. Jahrhunderts befiel der Pilz Phytophthora die Kartoffeln in Irland und vernichtete die Ernte. Saatkartoffeln bestehen im Grunde genommen aus Klonen einer genetisch einheitlichen Pflanze; man pflanzt sie immer wieder aus. Bei der irischen Kartoffel war das der Fall; sie hatte eine sehr enge genetische Basis und war daher leichte Beute für den schmarotzenden Pilz. Die Bevölkerung Irlands wurde halbiert, Hunderttausende verhungerten, Hunderttausende wanderten aus.
Die Familienfarmen, auf die die Bevölkerung in Notzeiten wie etwa der Weltwirtschaftskrise zurückgreifen konnte, sind in Amerika inzwischen durch politische Maßnahmen zugunsten riesiger Agrarkonzerne praktisch verschwunden. Im östlichen Europa war es die Zwangskollektivierung, die die selbstständigen Bauern weitgehend vernichtete. Im EU-Raum wird eine ähnliche Entwicklung durch die Kommissare in Brüssel vorangetrieben.
Kleingärten mit ihrer bunten Vielfalt von Gemüse, Kräutern, Obst und Heilpflanzen versorgen überall auf der Welt Millionen von Menschen mit gesunder, vitaminreicher Nahrung und Medizin, auch in schwierigen Zeiten.
Kleingärten für die Zukunft
Studien, durchgeführt unter anderem von der Rodale-Gesellschaft (Emmaus, Pennsylvania), zeigen, dass der Leistungsgrad und die Energieeffizienz pro Hektar nirgendwo höher ist als auf kleinen, liebevoll gepflegten, intensiv bearbeiteten Flächen. Die Expertenkommission IAASTD (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development), die unter anderem von der UNESCO und der Weltgesundheitsorganisation WHO gesponsert wird, kam bei ihrer Sitzung in Johannesburg im April 2008 zum selben Schluss: Die Probleme Hunger und Armut werden am besten auf lokaler Ebene gelöst; in ökologisch benachteiligten Regionen können Kleinbauern und Gärtner bedeutend mehr Nahrungsmittel erzeugen als die hoch technisierten Agrargroßbetriebe.
Das hat sich in den Schrebergärten im verwüsteten Nachkriegseuropa gezeigt. Das konnte man in der Sowjetunion sehen, wo jeder einen privaten Garten besitzen durfte. Das ehemalige Sowjetimperium ist durch wirtschaftliche Inkompetenz zugrunde gegangen. Wäre nicht der Rückzug des einfachen Bürgers in die Datscha (russische Bezeichnung für kleines Landhäuschen im Grünen) möglich gewesen, dann wäre es noch schlimmer gekommen. Allein auf diesen kleinen Privatgrundstücken, die nur ein Prozent der Gesamtfläche ausmachten, wurden 30 Prozent der Nahrungsmittel der Sowjetunion erzeugt. Dagegen stammten von den 99 Prozent Ackerboden und Weideland der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Staatsbetriebe lediglich 70 Prozent der Lebensmittel – zudem stark subventioniert.
Die Amish, eine Gesellschaft mit Perspektive
Die Amish, eine Ethnie alemannisch-pfälzisch sprechender Bauern in Nordamerika, die jede moderne Technologie wie Strom und Kraftmotoren ablehnt, erzeugt auf ihren Farmen vergleichsweise so viel wie die kapital- und energieintensiven corporation- Farmen. Aber mit 87 Prozent weniger Energieaufwand! Das sollte aufhorchen lassen. Energielieferanten sind die Pferde – die erzeugen nebenbei noch Dünger und verdichten die Böden nicht so wie die schweren Maschinen –, einfache Windräder und körperlicher Einsatz. Das Modell funktioniert gut, lässt sich aber dennoch kaum auf die Gesamtgesellschaft übertragen.
Ich lernte die Amish als Junge im ländlichen Ohio kennen. In unserer Nachbarschaft gab es noch bis Ende der 1960er-Jahre eine Schmiede, in der sie ihre Arbeitspferde beschlagen ließen. Da konnte ich oft mit ihnen reden. In den schneereichen Wintern des Mittelwestens kamen sie mit ihren Pferdewagen gut weiter, während die Kraftfahrzeuge der „normalen“ Bürger meist stecken blieben. Stromausfälle waren für sie kein Problem, ebenso wenig die Benzinpreise. Überhaupt sind sie unabhängig und selbstversorgend.
Als Wiedertäufer wurden die Amish um 1700 aus ihrer Heimat in der Schweiz, in Süddeutschland, im Elsass und der Pfalz vertrieben. Sie siedelten sich vor allem in Pennsylvania
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