Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
an. Heute leben sie als kinderreiche Großfamilien auf ordentlich gepflegten Einzelhöfen. Jede Hand wird gebraucht. Kinder helfen mit, sobald sie dazu in der Lage sind – sie füttern die Hühner, jäten Unkraut, hacken Gemüsebeete oder ernten Erdbeeren. Die Amish haben ihre eigenen Schulen, wo sie, auf hohem Niveau, das Notwendigste lernen: Rechnen, Schreiben und als Sprachen Englisch und Schriftdeutsch (Letzteres, damit sie die Bibel lesen können). Länger in die Schule zu gehen, verdirbt nach Ansicht der Amish die Kinder; sie würden dann zu verkopft und könnten nicht mehr vernünftig praktisch arbeiten. Man hält sich an die Arbeitsteilung, wie sie im ländlichen Europa seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, überliefert wurde. Frauen kümmern sich um das Kleinvieh und den Gemüsegarten, ums Mehlmahlen, Brotbacken, Einmachen und Keltern, sie sind fürs Heilen und die Heilmittelherstellung zuständig; die Männer pflügen mit Pferden den Acker, versorgen das Großvieh, bauen Gebäude und regeln die Beziehungen zur Außenwelt.
Gemeinschaft ohne Stress
Das Leben der Amish ist arbeitsintensiv. Dennoch haben sie Freude daran und finden Erfüllung. Da ist nichts Abstraktes, Entfremdetes, denn man weiß, dass das, was man tut, notwendig ist. Man arbeitet nicht stumm alleine vor sich hin, sondern mit den anderen im kurzweiligen Zusammensein. Wenn ein junges Paar heiratet, trifft sich die ganze Gemeinde, um den Neuvermählten ein Haus samt Hof zu bauen. Fernsehen, Videos, PCs, Autos, Mode und Konsum sind nicht Teil ihrer Welt, auch nicht der Stress, wie wir ihn kennen. In anderen Worten: Diese gewachsene, selbstversorgende Kultur ist uns recht fremd. Wir dagegen leben in einer kompliziert konstruierten, meist urbanen Gesellschaft, wo der soziale Zusammenhang oft auf Kleinstfamilien reduziert ist, wo die Alten in Heime gesteckt werden und die Kinder in Totalschulen, wo staatliche Fürsorge gemeinschaftliche Unterstützung weitgehend ersetzt und Geld und Konsum für Lebensinhalt sorgen. Offensichtlich haben die Amish eine bessere Chance zu überleben, wenn es so weit kommen sollte, dass die Energiekosten ins Unermessliche steigen und die Wirtschaft kollabiert. Selbstverständlich können wir uns heutzutage ebensowenig in Amish-Bauern verwandeln wie in indianische Jäger und Sammler, um Krisenzeiten zu überleben. Aber dennoch sind auch wir nicht hoffnungslos ausgeliefert.
Familiengärten
Schon ein kleiner Familiengarten kann in Zeiten steigender Lebensmittelpreise eine wichtige Rolle spielen. Ebenso vorteilhaft ist es, die essbaren Wildpflanzen und Heilkräuter zu kennen. Mit einer 500 Quadratmeter großen Fläche und weniger als 250 Arbeitsstunden kann eine vierköpfige Familie ihren Jahresbedarf an Gemüse, Salat und Kartoffeln decken. Das hat der Gartenexperte Gerhard Schönauer ausgerechnet. Mit einem 3000 Quadratmeter großen Garten kann sich diese Familie sogar mit Eiern, Fleisch und Honig versorgen, wenn Hasen, Tauben, Hühner und Bienen mit in der Gartengemeinschaft leben. Auf einem größeren Grundstück kann man schon ein paar Milchschafe, Ziegen oder ein Schwein halten. Diese liefern zusätzlich wertvollen Dünger und Kompostmaterial, denn „auch Kleinvieh macht Mist“! Mit mehr als einem Hektar könnte man schon eine Kuh halten und einen Karpfenteich anlegen.
Wenn das komplexe zentralisierte Versorgungsnetz, Transport und Energienachschub ins Stocken geraten, dann wird es eng. Die Staatsreserven an Nahrungsmitteln, die in Notzeiten und bei Katastrophen verteilt werden, sind gegenwärtig auf einen Vorrat für wenige Tage geschrumpft. Aufgrund dieser bedrohlichen Szenarien entstehen in den USA grassroots -Bewegungen – Graswurzelbewegungen, die auf autarke Selbstversorgung setzen. Man ist bemüht, die Nahrungsmittelerzeugung zu dezentralisieren und wieder in die Hände der Menschen zu legen. Die langweiligen englischen Rasen, die jedes Haus in den Vororten heute umgeben, werden zunehmend in Überlebens-Gemüsegärten ( survival gardens ) umgewandelt. Mini farming , Anbau auf kleinster Fläche, wird immer populärer. Es sind keine Aussteiger, alternative Traumtänzer oder Zivilisationsflüchtlinge wie in den Sechziger- und Siebzigerjahren, die das heutzutage propagieren, sondern ganz normale Bürger aus der Mittelschicht, Bewohner der typischen amerikanischen Vorstädte. Es ist ihnen nicht entgangen, dass die Lebensmittelpreise fortlaufend steigen, während die Gehälter stagnierten. Auch die
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