Der seltsame Mr Quin
heißt: Damals war es natürlich wichtig. Nur eine einzige Person hatte die Möglichkeit gehabt, es zu tun. Mrs Appleton wurde vor Gericht gestellt. Und sie wurde freigesprochen – mehr aus Mangel an Beweisen als wegen erwiesener Unschuld. Mit anderen Worten: Sie hatte Glück! Ich glaube nicht, dass große Zweifel an ihrer Täterschaft bestehen. Was ist eigentlich später aus ihr geworden?«
»Sie ging, glaube ich, nach Kanada. Oder war es Australien? Ein Onkel oder irgendein Verwandter bot ihr an, zu ihm zu kommen. Übrigens das Beste, was sie unter diesen Umständen tun konnte.«
Fasziniert starrte Mr Sattersway auf Alex Portals rechte Hand, die das Glas umklammerte. Und wie fest sie es umklammerte!
Du zerdrückst es gleich, wenn du nicht aufpasst, dachte Mr Sattersway.
Evesham erhob sich und goss sein Glas wieder voll.
»Na ja, aber bis jetzt wissen wir immer noch nicht genauer, warum der arme Derek Capel sich erschoss«, bemerkte er. »Ein großer Erfolg war unsere Untersuchung wohl nicht, Mr Quin?«
Mr Quin lachte…
Es war ein sonderbares Lachen – spöttisch, aber zugleich traurig. Es ließ alle zusammenfahren.
»Verzeihung«, sagte er. »Sie leben immer noch in der Vergangenheit, Mr Evesham. Sie werden immer noch von Ihrer vorgefassten Meinung gehemmt. Aber ich, der Mann von draußen, der vorüberkommende Fremde, sehe nur eines: Tatsachen!«
»Tatsachen?«
»Was soll das heißen?«, fragte Evesham.
»Ich sehe eine klare Folge von Tatsachen, die Sie selbst geschildert, deren Bedeutung Sie jedoch nicht erkannt haben. Gehen wir einmal um zehn Jahre zurück, und schauen wir uns an, was wir da sehen unbekümmert um irgendwelche Vorstellungen oder Gefühle.«
Mr Quin war aufgestanden. Er wirkte sehr groß. Das Feuer hinter ihm loderte sehr wirkungsvoll.
»Sie sitzen beim Essen. Derek Capel gibt seine Verlobung bekannt. Sie glauben, es handle sich um Marjorie Dilke. Jetzt sind Sie sich dessen nicht mehr so sicher. Er ähnelt in seinem Verhalten einem ruhelosen, aufgeregten Menschen, der das Schicksal erfolgreich herausgefordert hat – der, mit Ihren eigenen Worten, trotz überwältigender Widerstände einen großen Coup gelandet hat. Dann klingelt es. Er geht hinaus, um die längst überfällige Post in Empfang zu nehmen. Er öffnet zwar keinen der Briefe; Sie erwähnten jedoch selbst, dass er die Zeitung durchblätterte, um zu sehen, was es Neues gäbe. Das alles liegt zehn Jahre zurück. Wir wissen also nicht, was es an diesem Tag Neues gab: ein Erdbeben in irgendeiner entlegenen Gegend, eine politische Krise in einem nahen Land? Das Einzige, das wir über den Inhalt der Zeitungen wissen, ist eine kleine Mitteilung, die Mitteilung, dass das Innenministerium vor drei Tagen die Erlaubnis erteilt hat, Mr Appletons Leiche zu exhumieren.«
»Wieso?«
Mr Quin fuhr fort.
»Derek Capel geht nach oben auf sein Zimmer, und dabei sieht er durch das Fenster irgendetwas. Sir Richard Conway hat uns berichtet, dass der Vorhang nicht zugezogen war und dass man auf die Auffahrt hinunterblicken konnte. Was aber sah er? Was konnte er gesehen haben, das ihn veranlasste, sich das Leben zu nehmen?«
»Was meinen Sie? Was hat er gesehen?«
»Ich glaube«, sagte Mr Quin, »dass er den Polizisten erblickte. Einen Polizisten, der wegen des Hundes gekommen war – was Derek Capel nicht wusste. Er sah lediglich – einen Polizisten.«
Es folgte eine längere Stille – als dauerte es einige Zeit, die Folgerung zu begreifen.
»Mein Gott!«, flüsterte Evesham schließlich. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Appleton? Aber er war doch zu der Zeit gar nicht da. Appleton starb. Der alte Mann war allein mit seiner Frau…«
»Aber eine Woche vorher könnte er dort gewesen sein. Strychnin ist nur in Form von Hydrochlorid leicht löslich. Schüttet man es in Portwein, wird der weitaus größte Teil erst in das letzte Glas gegossen – vielleicht eine Woche, nachdem er dort war.«
Portal sprang auf. Seine Stimme klang heiser, seine Augen waren blutunterlaufen.
»Warum hat sie die Karaffe fallen gelassen?«, schrie er. »Warum? Sagen Sie mir das!«
Zum ersten Mal an diesem Abend wandte Mr Quin sich unmittelbar an Mr Sattersway.
»Sie besitzen große Lebenserfahrungen, Mr Sattersway. Vielleicht können Sie es uns erklären.«
Mr Sattersways Stimme zitterte ein bisschen. Endlich war sein Stichwort gefallen. Er hatte die Aufgabe, einige der entscheidenden Sätze in diesem Stück zu sprechen. Er war also jetzt auch
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