Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Kopf schwenkte hin und her, während sie die Bäume absuchte. Sie ließ das Messer fallen. Sie rappelte sich auf. Und rannte davon.
    Nicholas sah, wie das scharfe kleine Messer aus seiner Hand fiel. Er legte die rechte Hand auf den tiefen Schnitt im linken Handgelenk. Ich werde jetzt gleich ohnmächtig.
    Er sah zu Hannah. Sie lag auf dem Boden und hatte die Augen geschlossen. Sein Blickfeld schien von den Rändern her schwarz zu werden, wie schwelendes Papier. Noch nicht! Er konzentrierte sich mit aller Kraft.
    Er sah, wie sich Hannahs Rücken leicht hob und senkte. Sie atmete.
    Er nickte erleichtert.
    » Okay«, flüsterte er, und vor seinen Augen wurde alles silbern. Seine Wirbelsäule schien sich in Wasser zu verwandeln, und er fiel im Käfig um.
    Der Wind hörte auf. Die Bäume waren still.
    Die Welt schien weit entfernt zu sein. Selbst der mondbeschienene Käfig aus Knochen und Ästen wirkte klein und weit weg, als würde man ein Zimmer durch das falsche Ende eines Teleskops betrachten.
    Zieh dein Hemd aus. Binde dein Handgelenk ab.
    Aber da war so viel Blut …
    Er versuchte mühsam, seinen Pullover auszuziehen, aber Müdigkeit kroch in ihm hoch wie die angenehmen Wasser des Unterweltflusses Lethe.
    Ich kann nicht.
    Dann dreh dich herum, befahl er sich.
    Mit tauben Fingern hob er seinen Pullover und das Hemd an, drückte sein pulsierendes Handgelenk auf seinen Bauch und legte sich darauf.
    Genug, dachte er. Schlaf jetzt.
    Er war sogar zu müde, um die Augen zu schließen, deshalb starrte er auf die weit entfernte Welt hinaus, die von einer einladenden Düsternis umgeben war. Der Wald war gespenstisch still. Der Baumkreis stand schweigend, die Blätter waren grün wie gefrorenes Meerwasser in einer eisigen Mondnacht und pechschwarz dort, wo kein Licht hinfiel. Sie waren ehrfürchtig verstummt. Erwartungsvoll. Die einzige Bewegung ringsum war das leichte Heben und Senken von Hannahs schmalem Rücken.
    Schlaf.
    Nicholas schloss die Augen, er wunderte sich, woher die Nässe an seinem Bauch kam, dann nickte er, als es ihm wieder einfiel. Er war dabei zu sterben.
    Keine Angst. Schlaf jetzt.
    Cate würde warten.
    Er lächelte.
    Doch dann ließ ihn ein Geruch zögerlich wach werden.
    Es war ein Geruch so alt wie die Welt. Es waren hundert Aromen von tausend Orten. Es war der stechende Geruch von Kiefernnadeln. Es war die Moschusausdünstung von Sex. Es war die kraftvolle Fäulnis von Pilzen. Es war der würzige Duft von Eichen. Der üppige Wohlgeruch von Erde, Rinde und Kräutern. Es waren Fledermäuse, Schoten, Erdhöhlen und Moos. Es war fest und lebendig – sehr lebendig! Und es war nahe.
    Die Dünste drangen in Nicholas’ Nasenlöcher, und seine Haare stellten sich an den Wurzeln auf. Seine Augen waren schwer wie Schachtdeckel, aber er öffnete sie. Durch die Todesruhe in ihm schlich sich eine leise Furcht.
    Die Bäume selbst schienen angespannt zu warten. Das Mondlicht war hart wie ein Geschoss, scharf und bereit, mit einem stählernen Laut zuzuschlagen.
    Ein Schatten bewegte sich.
    Er ergoss sich wie Öl zwischen den hohen Bäumen hervor, floss über die dunkle, sandige Erde und erstreckte sich bis in die Mitte des Rings. Die Bäume schienen sich wie von Zauberhand auf ihn zuzubeugen. Ein langer, langer Schatten …
    Dann ein Huf. Groß wie ein Eimer und dunkel wie Stein, mit grauen Moosflecken; mehrschichtig und schuppig wie altes Horn. Über dem Huf: ein mächtiges Bein. Gefiedert. Oder mit einem Pelz. Oder dicht von Blättern besetzt. Ein dunkles Grüngrau, vom Gletscherlicht des Monds in ein Blau wie Kanonenmetall getaucht. Muskulös und lang. Die Knie bogen sich rückwärts wie die Hinterbeine eines Pferds, aber sie waren dreimal so groß und kräftig. Ein zweiter Huf, ein zweites gewaltiges Bein. Ein Rumpf, massiv wie der eines Menschenaffen, aber sehr viel größer und so dunkel wie die Schatten zwischen den Wurzeln alter Bäume. Arme wie die eines Mannes: mit dicken Muskelsträngen, aber einem Umfang wie Baumstämme. Ihre Oberseite schimmerte im grauen Samt von Pilzen oder Blättern oder verkümmerten Federn, ihre Unterseite war rissig wie alte Rinde. Ein Stiernacken, gestreift wie verwitterter Fels. Schultern, breit wie Felsbrocken, mit einem Überzug aus Moos. Ein Geweih wie Eichenäste, von Schlingpflanzen und Moos durchsetzt, riesig. Und ein Gesicht im Schatten.
    Nicholas starrte ungläubig. Ich träume. Ich bin tot.
    Das Geschöpf wandte ihm den Kopf zu. Sein Gesicht war von einer blätterartigen

Weitere Kostenlose Bücher