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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schaukelte.
    Quill suchte hastig Halt am Käfig. Das Messer fiel ihr aus der Hand und klapperte gegen Holz und Bein. Der Käfig schwankte … Quill bekam ihn schließlich mit der freien Hand zu fassen, aber ihr zusätzliches Gewicht auf dieser Seite der Kugel war zu viel … der Käfig ächzte, der Turm neigte sich, und die ganze Konstruktion begann zu kippen.
    » NEIN!«, schrie sie.
    Der Käfig fiel mit Nicholas in seinem Innern und Quill unter ihm und landete mit einem lauten Krachen von splitterndem Holz und Gebein auf dem Boden.

43
    Wind zerrte an Hannahs Haar und schlug ihr kalt ins Gesicht.
    Sie konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den andern zu setzen, auch wenn sie gar nicht wusste, ob sie in die richtige Richtung ging … doch auf eine merkwürdige Weise war sie sich ihrer Sache sicher.
    Sie kroch blind über Wurzeln und unter Ästen hindurch, nur durch Geräusche gelenkt. Alles tat ihr weh. Zwischen Windstößen und dem paukenartigen Brausen der schwarzen Blätter schnappte sie Bruchstücke einer Frauenstimme auf, eine traurige und leiernde Ansprache an jemanden oder auch niemanden, die von der bewegten Luft fortgetragen wurde. Sie stolperte mit ausgestreckten Armen zwischen dunklen Bäumen dahin, fiel und stand wieder auf und achtete nicht auf das scheußliche Pochen in ihrem Bein. Es war richtig so. Das alles sollte so sein.
    Sie war beinahe da, vielleicht noch fünfzig Meter von der Hütte entfernt. Nicholas lebte noch – Hannah fühlte es in ihrem Herzen –, aber die Dinge waren im Begriff, sich zu wenden.
    In diesem Moment frischte der Wind auf.
    Die Wolken, die sich hoch über den unglücklichen Bäumen dahinschoben, wurden dünner.
    Die Frauenstimme hüpfte auf der Luft wie ein Kieselstein auf dem Wasser.
    Der Mond lugte aus seinem Versteck, und die Bäume schienen aus der Dunkelheit zu springen.
    Hannah blieb stehen.
    Der Boden um sie herum schien zu schimmern. Und nicht nur der Boden: die Stämme der Bäume, die Blätter von Hängepflanzen, der Moospelz umgestürzter Bäume, alles kroch und zitterte.
    Hannahs Herz raste. War das …?
    Als sich die Wolken weiter teilten, fiel kaltes Silber zwischen dem Laub hindurch und beleuchtete alles vor ihr – und ihr stockte der Atem.
    Eine Million Spinnen sahen sie an: kleine und untersetzte, große und haarige, alle machten einen heimlichen, katzengleichen Schritt auf sie zu auf ihren fremdartigen Skelettbeinen. Das Mondlicht spiegelte sich in ihren acht Millionen Augen, ein bösartiger Wald, der von verderblichen Diamanten gesprenkelt wurde. Sie spürte ihre Blicke. Sie spürte ihre Überraschung, sie gefunden zu haben. Sie spürte die winzigen Funken, die durch ihre winzigen Gehirne sausten und ihr Bild aufnahmen, es schmeckten, Rat hielten.
    Sie ist es. Sie sah einen hungrigen Glanz durch die Masse der Spinnen laufen. Sie ist es.
    Ihre Augenränder juckten, und ihr Kopf fühlte sich an wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Ihr Körper schien zu wissen, dass sie für das grauenhafte Schicksal, das ihr unmittelbar bevorstand, lieber ohnmächtig sein sollte. Ihre Beine begannen einzuknicken.
    NEIN!, schrie sie in ihrem Kopf. Du darfst nicht ohnmächtig werden! Sie bohrte sich die Spitze des Schälmessers in den Oberschenkel, und ein greller neuer Schmerz verscheuchte das Schwindelgefühl. Was konnte sie mit einem einzigen Messer gegen ein Meer aus scharfen Zähnen ausrichten?
    Hannah spürte, wie die Spinnen sie sahen, sie beobachteten, sie erkannten. Der ganze Wald schien sich zu verschieben, als der Teppich aus Spinnen mit ihren dürren, haarigen Beinen, den bösartigen kleinen Giftzähnen und den schwarzen, kalten Kieselaugen vorwärtskroch.
    Sie drehte sich um und rannte.
    Und kam genau einen Schritt weit, bis ihr rechter Fuß in einer Wurzel hängen blieb.
    Sie fiel.
    Einen Augenblick später wurde sie von der Welle der Spinnen überspült.
    Hannah rollte sich zu einem kreischenden Ball zusammen und wartete auf den Schmerz von tausend Bissen.
    Aber er kam nicht.
    Die Spinnen waren wie erstarrt. Ihre gekrümmten Füße wurden steif, schnippten sanft an ihre Haut, ihre Lippen, ihre Ohren. Alle, ob groß wie Frühstücksschalen oder klein wie Streichholzköpfe, verharrten sie reglos. Lauschten.
    Dann ließen sie von ihr ab.
    Sie krabbelten von ihr und begannen übereinanderzukriechen. Manche liefen verwirrt im Kreis umher. Andere gruben sich Schutz suchend ein. Einige hüpften in die Dunkelheit davon. Ein paar suchten in Hannahs Haar

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