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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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1
    2007
    Es schneite.
    Langsam wie Morgennebel sank der Schnee herab und legte sich weiß auf Braun, weiß auf Silber, weiß auf Weiß. Er fiel so dicht, dass Nicholas kaum einen Meter weit sehen konnte. Sein Haar, das normalerweise die Farbe trockenen Grases hatte, wurde weiß eingestaubt. Seine rot gefleckten Hände auf den Hüften wurden zunehmend bleicher, während er in dem anhaltenden Schneetreiben stand. Nur seine Augen, der dunkelste Teil von ihm, bewegten sich und beobachteten die Gestalt über ihm. Ein Gespenst, das die Arme zum milchigen Himmel schwang und winkte. Oder ein rufender Engel. Eine unheimliche Erscheinung, die ihn nicht bemerkte.
    Er sah eine Weile zu, dann nahm er die Ohrenschützer ab.
    Der Schnee fiel donnernd, angetrieben vom dröhnenden Motor einer Bandschleifmaschine. Das hornissenartige Surren des elektrischen Geräts wurde vom Resonanzkörper der Decke so verstärkt, dass es schien, als würde ein Verrückter auf dem Dach einen endlosen Strom von Steinen über die Ziegel kullern lassen. Eine Stehleiter stand halb im Bad und halb außerhalb davon, und auf ihr streckte sich Cate in die Höhe und schmirgelte um den Lüftungsschacht in der Badezimmerdecke herum. Der Verputzstaub war überall und verwandelte den kleinen Raum in eine Schneesturmlandschaft von unbestimmbarer Größe.
    Sie wähnte sich unbeobachtet, und der Gedanke, dass er ihrem ungeschminkten, wahren Ich zusah, gefiel ihm. Sie bearbeitete die Decke in mächtig ausholenden Schwüngen, die man ihr bei ihrer Größe gar nicht zugetraut hätte, wie ein Koch, der Teig walzt, oder ein Schiffszimmermann, der Planken hobelt. Er beobachtete, wie sich ihre Armmuskeln unter der geishaweißen Patina bewegten, wie sich ihre Wadenmuskeln dehnten. Ihre Energie wärmte ihn.
    Es war ein trüber Samstagnachmittag. Während Cate das Badezimmer vorbereitete, hatte Nicholas Fliesen im winzigen Wäscheraum von der Wand gemeißelt. Da sie in verschiedenen Räumen arbeiteten, war es umso schöner, wenn sie sich einen Weg durch das Schlachtfeld aus Farbdosen, zusammengeknüllten Folien und Pappbechern mit kalkigem Wasser und eingeweichten Pinseln darin bahnten, um einen sauberen kleinen Brückenkopf in all dem Chaos zu finden, einander abzustauben und sich zu küssen und zu versichern, die Renovierung würde irgendwann zu Ende gehen, und bald – hoffentlich! – würde das hier die schnuckeligste kleine Wohnung in ganz Ealing sein.
    Der trübe Himmel draußen grummelte düster und ließ das kleine Badezimmer im künstlichen Winter noch fröhlicher erscheinen.
    Ein Geräusch, als würde etwas reißen; Cate schaltete die Schleifmaschine aus.
    » Du verfluchtes … Scheißding.« Sie zog eine Schnute, als müsste sie mit Mühe eine wilde Flut von Schimpfwörtern zurückhalten.
    Nicholas schnalzte missbilligend mit der Zunge. » Also diese Ausdrucksweise. Sie entsetzt mich immer wieder.«
    Sie drehte sich zu ihm um – ein außerirdischer Albino mit Schutzbrille und Mundschutz.
    » Witzbold. Wie lange drückst du dich hier schon herum, du Perverser?«
    Nicholas zuckte mit den Achseln. » Worüber musst du denn schon wieder so schimpfen?«
    » Ein Nagel hat das Schleifpapier zerrissen. Wieder einmal. Es war der letzte Bogen.«
    Sie streifte den Mundschutz ab und schob die Brille nach oben, und darunter kam Haut zum Vorschein, die fast so weiß war wie der Gipsstaub. Sie stieg von der Leiter, über die Wanne, auf den Boden. Sie war klein. Sie breitete die Arme aus. Nicholas machte einen Schritt nach vorn – und rumms, schnappten die Arme um seine Mitte zu und wirbelten eine riesige weiße Staubwolke auf.
    » Reingefallen!«, lachte sie und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu überblicken: einen großen weißen Fleck auf seiner Vorderseite und einen weißen Staubgürtel um seine Mitte. Sie grinste.
    Nicholas schüttelte in gespielter Empörung den Kopf. » Du hast deinen Körper als Köder benutzt und mich in die Falle gelockt.«
    » Reingefallen!«, wiederholte sie und grinste noch breiter. Dann öffnete sie erneut die Arme.
    Dieses Mal schloss sie sie langsam, und sie unterhielten sich zwischen Küssen.
    » Wie geht es dir.«
    » Gut. Aber die Arbeit ist langweilig.«
    » Faulpelz.« Cate klopfte ihm auf den Hintern. » Mach weiter. Ich fahre los und hole Schleifpapier.«
    » Nein, ich fahre. Du bist schmutzig. Ein richtiger kleiner Dreckspatz.«
    Er spürte, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen.
    » Und du bist jetzt ein großer

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