Der Sohn des Bannsängers
halbwüchsiger Trägheit.
»Sieh dich nur an«, murmelte Jon-Tom, als er seinen Sprößling betrachtete.
»Geht nicht, Paps. Der nächste Spiegel ist im Bad.«
»Es muß ein Gen für Sarkasmus geben. Bis jetzt war ich mir sicher, es wäre rezessiv.«
Buncan grinste leicht, sagte jedoch nichts. Das Lachen verkniff er sich besser so lange, bis er heraus gefunden hatte, was sein alter Herr im Schilde führte.
»Und deine Frisur. Warum denn so kurz? Warum kannst du nicht mit ordentlichem schulterlangem Haar herumlaufen wie deine Freunde?«
»Kasweis trägt seines kurz. Wickwitt auch.«
»Kasweis und Wickwitt sind Orang-Utans. Affen sind haarmäßig das genaue Gegenteil der Menschen. Sie haben von Natur aus kurzes Kopfhaar und überall sonst langes Haar.«
»Vielleicht sollte ich mal probieren, mir überall sonst lange Haare wachsen zu lassen. Ich könnte bestimmt ein haariges Stück schreiben.«
Jon-Tom zählte lautlos, bei sieben hörte er auf. »Ich nehme an, dir ist nicht bekannt, was eben dort unten los war?«
Buncan straffte sich ein wenig. »Nein, was denn?«
»Du hättest beinahe die Küche deiner Mutter zerstört. Von deiner Mutter selbst ganz zu schweigen.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Du hast dich wieder als Bannsänger betätigt, stimmt's?« Buncan wandte sich ab. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, kein Zaubergesang im Haus?«
Der jüngere Meriweather machte ein zerknirschtes Gesicht.
»Und wo soll ich dann üben?«
»Am Flußufer. In den Glockenwäldern. Vor der Schule. Überall, nur nicht zu Hause. Das ist gefährlich.« Er senkte die Stimme. »Du verfügst von Natur aus über eine Menge Talent, Buncan. Du könntest sogar mal ein besserer Duarspieler werden als ich. Aber was das Bannsingen angeht... Du mußt an deinen Texten und an deiner Stimme arbeiten. Ich habe achtzehn Jahre gebraucht, um zu lernen, wie man eine Melodie angemessen vorträgt. Deine Tonkonstanz, deine Stimmkontrolle, ist schlechter als meine. Manchmal fehlt sie ganz.«
»Danke, Paps«, erwiderte Buncan sarkastisch. »Für das erwiesene Vertrauen.«
»Mein Sohn, nicht jeder besitzt die erforderlichen Fertigkeiten, um zu zaubern, geschweige denn ein Bannsänger zu sein. Vielleicht liegt deine wahre Bestimmung trotz deiner offensichtlichen musikalischen Begabung ganz woanders. Es ist eine feine Sache, ein brillanter Musiker zu sein« - das Kompliment ließ Buncan aufhorchen -, »aber wenn es an den richtigen Texten und der Phrasierung fehlt, gehst du unvorhersehbare, möglicherweise tödliche Risiken ein.«
»Paps, du hängst zuviel mit Clodsahamp herum.«
»Laß es mich anders sagen. Du könntest dich zugrunde richten.« Jon-Tom erhob sich vom Bett. »Und jetzt komm runter und guck dir an, was du mit der Küche deiner Mutter angestellt hast.«
»Du meinst, mit meinem Gesang...?« fragte Buncan unsicher. Jon-Tom nickte. »Dämonen, Teufel, Kobolde, feindselige Geister und alle Arten von üblen Beschwörungen. Eine richtige Schweinerei.«
Buncan stand auf, und sein Sarkasmus machte Zerknirschung Platz. »Das tut mir ehrlich leid, Paps. Ich dachte, ich hätte aufgepaßt. Wirst du Mutter sagen, daß es mir leid tut?«
»Das kannst du ihr selbst sagen.« Jon-Tom öffnete die Tür und trat in den Korridor. »Damit muß Schluß sein, Buncan. Du bist zu unerfahren, um mit dieser Art Risiken fertig zu werden. Besonders im Haus. Wie hättest du es gefunden, wenn du versehentlich das Monster unter deinem Bett in Freiheit gesetzt hättest?«
Buncan folgte ihm langsam. »Es gibt kein Monster unter meinem Bett, Paps.«
»Da sieht man, wie wenig du weißt. Bis zu seinem zwanzigsten Geburtstag hat jeder Junge ein Monster unterm Bett.«
Sein Sohn dachte nach. »Hattest du in deiner Jugend auch ein Monster unterm Bett, Paps?«
»Ich hab dir doch gesagt, es gibt unter jedem eins. Als ich so alt war wie du, wußte ich das nur nicht. Meins«, fügte er hinzu, als sie den Treppenabsatz erreicht hatten, »war warzig und pickelig und wollte mich unbedingt mit Auberginen füttern. Ich fand Auberginen widerlich. Das tue ich immer noch.« Sie hatten das Wohnzimmer erreicht und blieben kurz stehen. »Ich glaube, es war ein Republikaner. - Keine Bannsingerei mehr, nie mehr, nirgendwo, bis sich deine Stimme verbessert hat.«
»Aber, Paps...!«
»Kein Aber.«
»Ich hasse Gesangsunterricht. Stundenlang auf einem Stuhl zu hocken und dieser dämlichen Nachtigall zuzuhören. Ich bin doch kein Vogel, Paps.«
»Frau Trilltrall gewährt
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