Der Sokrates-Club
50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erst hervorgegangen.
Das Entscheidende aber ist, dass die philosophischen Ausgangsfragen zur Etablierung von wissenschaftlichen Forschungsprogrammen führen, die im Falle des Erfolgs dann die Etablierung einer eigenständigen, wissenschaftlichen Disziplin nach sich ziehen. Hier gibt es keine scharfen Brüche, sondern ein Kontinuum.
Aus den Fragestellungen der Antike ist im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Reihe von Disziplinen hervorgegangen, darunter Anthropologie und Ethnologie, Soziologie und Politikwissenschaft. Damit haben sich allerdings die Fragen nach der richtigen Form des menschlichen Zusammenlebens, nach den Kriterien gelungener gemeinschaftlicher Praxis, nach der Gerechtigkeit der politischen Ordnung etc. nicht erübrigt. Diese Fragen sind der Philosophie erhalten geblieben.
Die Philosophie der Gefühle aus dem 18. und 19. Jahrhundert transformiert sich gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die empirische Disziplin der Psychologie, begleitet von einer Philosophie der Emotionalität, die in den vergangenen Jahrzehnten eine Renaissance erlebte. Nach einer langen Dürrephase, die schon in den Lebzeiten Hegels beginnt und durch ein hohes Maß an Ideologisierung geprägt ist, hat auch die politische Philosophie einschließlich der Sozial- und Rechtsphilosophie, beginnend mit dem bahnbrechenden Werk von John Rawls über politische Gerechtigkeit, eine Renaissance.
Die Tatsache, dass philosophische Ausgangsfragen, wie etwa die nach den Bedingungen gemeinschaftlichen Handelns, von Einzelwissenschaften wie etwa der Soziologie behandelt werden, führt also keineswegs dazu, dass sie insgesamt aus der Philosophie auswandern und dort keine Rolle mehr spielten. Es gibt auch den gegenteiligen Effekt, dass die empirischen Befunde der Einzelwissenschaften auf die Philosophie zurückwirken und dort neue Forschungen anregen, und umgekehrt, dass philosophische Fragestellungen, wie sie etwa seit Anfang der 1980er Jahre von den Kommunitaristen aufgeworfen wurden, sozialwissenschaftliche Programme initiieren. Ich selbst habe an der Enquête-Kommission des Bundestages zum bürgerschaftlichen Engagement teilgenommen, einer Kommission, die, bestehend aus Abgeordneten und Sachverständigen, Fragen auf der Basis juristischer, ökonomischer, sozialer und ethischer Aspekte verhandelt und Empfehlungen für den Umgang mit bedeutenden Sachkomplexen erarbeitet. Und ich habe es als faszinierend empfunden, wie auch in der politischen Debatte philosophische, soziologische und rechtliche Fragestellungen miteinander verbunden sind.
Charakteristischerweise kehren die so entstandenen » wissenschaftlichen Kinder der Philosophie« oft Jahrzehnte später– zum Beispiel angesichts einer Grundlagenkrise– wieder zurück, um Verbindung mit ihrer Mutter aufzunehmen. So haben wir gegenwärtig einen intensiven Gedankenaustausch zwischen Philosophie und Ökonomie zur Theorie der praktischen Rationalität, der Rationalität der Entscheidungen. Ein Beitrag zu diesem Gedankenaustausch ist mein Buch Die Optimierungsfalle, zur Philosophie einer humanen Ökonomie (2011). Die Ökonomie geht von einem spezifischen Kriterium der Entscheidungsrationalität aus, nämlich das der Optimierung der Handlungsfolgen. In der Philosophie ist das von jeher umstritten. Dort gibt es Anhänger dieses ökonomischen Verständnisses von Rationalität, aber auch viele Gegner. Das in der Philosophie sehr verbreitete Konzept einer deontologischen Vernunft, einem Handeln aus Pflicht, also einer moralischen Praxis, die die Einhaltung bestimmter Regeln, etwa Verpflichtungen, zugrunde legt, ist mit dem ökonomischen Rationalitätsverständnis nicht vereinbar. Unterdessen gibt es aber zahlreiche empirischen Befunde, die zeigen, dass die menschliche Praxis dem Ideal ökonomischer Rationalität nicht entspricht, vielmehr gerade solche deontologische Merkmale aufweist, was in der ökonomischen Theorie zu einem neuen Interesse an philosophischen Fragen geführt hat.
Die zweite Antwort auf den Philosophie-Skeptiker ist nicht wissenschaftstheoretisch wie die erste, sondern eher anthropologisch. Es ist im Grunde überflüssig zu betonen, aber an dieser Stelle möchte ich es doch sagen, es handelt sich nicht um eine Antwort der Philosophie, sondern um meine Antwort auf eine philosophie-skeptische Herausforderung, die durchaus auch im Fach umstritten sein dürfte. Wir sollten uns die Frage stellen, wie es denn wohl kommt, dass
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