0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
Hinter meinem rechten Ohr steckte eine echte Marihuana-Zigarette. Ich trug einen zerlumpten Overall, war unrasiert und strolchte langsam durch die 140th Street von Manhattan.
Sobald ich einen Cop auftauchen sah, versteckte ich die Zigarette in der hohlen Hand. Die Spatzen pfeifen es nämlich von den Dächern, dass man Rauschgifthändler an der Zigarette erkennt, die sie hinterm Ohr tragen. Diesmal war ich in die Rolle eines Marihuana-Verkäufers geschlüpft. Im Auftrag des FBI natürlich.
Nachmittags um halb vier sprach mich der erste Kunde an: ein junges Mädchen von höchstens achtzehn Jahren. Unterm Arm trug sie ein paar Bücher und Hefte. Dass sie zum City College gehörte, lag auf der Hand.
»Tag, Bubi«, sagte sie.
»Hallo, Baby«, kaute ich rüde zwischen den Zähnen hervor. »Ist dein Kindermädchen abhandengekommen?«
Sie verzog das Gesicht zu einem frostigen Lächeln und sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. »Vier«, raunte sie dann.
Ich angelte vier Stäbchen aus der Hosentasche und legte sie rasch in die kleine Blechschachtel, die mir das Mädchen aufgeklappt hinhielt.
»Wie viel?«, fragte sie.
»Ich liefere konkurrenzlos billig«, sagte ich wahrheitsgetreu. »Zwanzig Cent das Stück. Macht also achtzig.«
Sie stutzte und sah mich zweifelnd an.
»Kein Witz«, fügte ich hinzu. »Tatsache: achtzig Cent. Da kann keiner aus der Zunft mithalten.«
Das Girl würde schon früh genug merken, dass ich ihr gewöhnliche Virginia-Zigaretten angedreht hatte.
Sie drückte mir ziemlich überstürzt die geforderten Münzen in die Hand und lief hastig davon. Langsam setzte ich meinen Weg fort. Und dann blühte das Geschäft. Der Nachmittagsunterricht im College war vorbei, Heerscharen von niedlichen Mädchen und selbstbewussten Jungen strömten auf die Straßen. Und ein erschreckend hoher Prozentsatz hielt Ausschau nach Rauschgift-Haien. Als ich zweihundert der angeblichen Traumstängel verkauft hatte, wusste ich genug und machte mich auf den Heimweg. Aber plötzlich kamen zwei Burschen aus einer Querstraße und bauten sich vor mir auf. Ihre Gesichter verkündeten nichts Gutes. Der eine war blond und herkulisch, der andere schmächtig, behände und schwarzlockig.
»Wir möchten mit dir sprechen«, knurrte der Große mit mahlenden Kiefern. »Wir gehen in den Park!«, fügte der Kleine freundlich hinzu. Kurzerhand zerrten sie mich zum St. Nicholas Park. Dort strebten sie zu einer von Bäumen und Sträuchern dicht umstandenen Lichtung.
»Was ist denn los? Was wollt ihr von mir?«, fragte ich in ängstlichem Tonfall, denn ich hatte ausdrücklich Anweisung, mich waschlappig und feige zu verhalten.
»Los!«, sagte der Große und schlug mir wuchtig die Faust in den Magen.
Es war, als explodiere etwas in meinen Eingeweiden. Zusammengekrümmt bemerkte ich noch, wie der Kleine ein blitzendes Schnappmesser zückte - dann trat mir der Große in die Kniekehlen.
Kraftlos stürzte ich auf den sandigen Boden.
***
»… lass die Finger von ihr, sonst kannst du was erleben!«, hörte mein Freund Phil Decker, als er um die Ecke des Flurs bog.
Die Schüler Bill Ranger und Walter Haiburg standen einander gegenüber mit geballten Fäusten und offenem Hass in den jungen Gesichtern. Als sie Phil kommen sahen, sanken die Fäuste herab, und die Mienen entspannten sich.
»Guten Morgen, Mister Decker!«, sagten die beiden Jungen.
»Morgen!«, erwiderte Phil freundlich und sah auf seine Uhr. »Es ist drei durch. Habt ihr keinen Unterricht mehr?«
»Doch, doch!«, stotterte Ranger. »Wir wollten gerade in unsere Klasse.«
Phil nickte und ging langsam weiter, denn er hatte noch immer so etwas wie Lampenfieber. Als wir vor vier Tagen unsere Rollen verlosten, hatte mein Freund mehr Glück gehabt als ich. Er wurde vorübergehend College-Professor und unterrichtete über Verfassungskunde. Ich spielte einen heruntergekommenen Marihuana-Händler in der Umgebung der Schule. Der Plan war mit dem Direktor des Colleges - als einzigem Mitwisser - abgesprochen.
Mein Freund betrat die Abschlussklasse und ging zu seinem Pult. Die Blicke von elf Mädchen und vierzehn Jungen hingen an Phil. Plötzlich stutzte er, denn ein kleiner Zettel lag auf dem Pult. Phil erkannte die Handschrift von Honda Queal, der bemerkenswertesten Schülerin des Colleges, einer faszinierenden Schönheit.
Auf dem Zettel stand: Ich bin in Gefahr. Bitte kommen Sie sofort in den Lesesaal im Erdgeschoss. Helfen Sie mir!
»Einen Augenblick bitte! Ich habe noch
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