Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)
vormittags!«, sagte Großvater. »Findest du das nicht ein bisschen übertrieben?«
»Ich habe Hunger.«
»Was habt ihr mit Cesco zu tun?«
Mario reichte Großvater seine Tasse. »Das hat mit meinen Weinkellern zu tun, du erinnerst dich? Mit den Weinproben. Außerdem handle ich auch mit Käse. Ich habe Kunden in Mailand, die fallen fast in Ohnmacht, wenn sie diesen Duft riechen. Ach was, ich brauche ihnen nur davon zu erzählen, und schon fallen sie in Ohnmacht! Ich mache das schon mehrere Jahre. Aber wir haben nie darüber gesprochen, wer wo die Käselaibe lagert. Ist das nicht unglaublich? Nicht ein einziges Mal, bis heute. Wir haben uns in Crescella getroffen, über einen neuen in Kräutern gewälzten Pecorino geredet, als – peng! – auf einmal dein Name fiel. Aus heiterem Himmel.«
»Er musste ihn dreimal wiederholen«, warf Gioele ein. »Keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat. Dann sind wir ins Auto gestiegen und hierhergefahren, um dich zu suchen. Wir haben wirklich nur zehn Minuten Zeit. Zum Mittagessen müssen wir in Genua sein, es kommt Wein aus Patagonien, und Mario soll irgendwelche Formulare unterschreiben.«
»Es hat mich gefreut, euch wiederzusehen. Wo wohnt ihr?«
»In Parma. Aber wir pendeln zwischen Rom und Mailand hin und her. Jetzt, wo wir wissen, wo du steckst, entkommst du uns nicht mehr!«
»Solange ich noch da bin«, meinte Großvater.
»Ziehst du um?«
»Nein, das war bloß so dahingesagt.«
Eine Viertelstunde später ging ich mit ihnen und meinem in eine Serviette gewickelten tramezzino in Richtung Piazza.
»Warst du wirklich sein Trauzeuge?«, fragte ich Gioele, bevor sich unsere Wege trennten.
»Das ist schon ewig her.« Lächelnd zerzauste er meine Haare. »Damals ist so viel passiert, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann.«
»Kommt wieder!«, sagte ich.
»Bist du dann auch da?«
»Nein, deshalb müsst ihr kommen. Er wird wieder allein sein.«
Ich war noch nie gut im Verabschieden. Ich neige dazu, auf der Schwelle stehen zu bleiben, zu trödeln, aus Angst, noch nicht alles gesagt zu haben, den Abschiedsgruß zu wiederholen, um mich anschließend für mein sentimentales Getue in Grund und Boden zu schämen. Da ziehe ich kitschigen Abschiedsszenen brutale Trennungen doch bei Weitem vor: eine Flucht bei Nacht, ein Brief, der unter der Tür durchgeschoben wird, ein kräftiger, männlicher Handschlag, der bedeutet: Gut, ziehen wir die Sache nicht unnötig in die Länge, irgendwann sehen wir uns schon wieder. Um meine Entscheidung gleich darauf wieder zu bereuen, in der Überzeugung, unhöflich gewesen zu sein. Ich bin noch nie gut im Verabschieden gewesen: nicht einmal mit zwölf, nicht einmal gegenüber Gleichaltrigen. Deshalb hatte ich niemandem etwas gesagt, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich Ende der Woche abreisen würde – meine Mutter wollte mich am Freitag abholen. Und mit niemandem meine ich Luna und Isacco.
Eines Abends kursierte das Gerücht, im Nachbartal werde ein Fest gefeiert, dessen Feuerwerk weithin zu beobachten sei.
»Vielleicht ist es vom Monticello aus zu sehen«, sagte ich, als ich mich mit Isacco und Luna am Staudamm traf.
»Ein Mitternachtspicknick.«
»Ich weiß nicht, ob meine Eltern das erlauben.«
»Frag sie doch!«, sagte ich.
»Ich kümmere mich ums Essen«, erklärte Isacco.
Luna verdrehte die Augen.
Schließlich bekamen wir alle drei die Erlaubnis, nachdem wir was vom Ende der Schönwettersaison, vom schlechten Juliwetter und von der Notwendigkeit, sich zu erholen, bevor die Schule wieder anfing, erzählt hatten: »Man muss Erfahrungen sammeln, die man bis zum nächsten Sommer nicht mehr machen kann, Kraft tanken.« Und so kam es, dass wir uns zu dritt mit Taschenlampen, Decken und Feldflaschen voller Pfirsichtee vor Großvaters Haus einfanden. Nach einer halben Stunde waren wir auf dem Monticello. Es war das erste Mal, dass ich mit ihnen dorthin ging. Das Handy hatte ich dabei, schaltete es aber nicht ein. Wir legten uns auf den Rücken, verschränkten die Hände hinter dem Kopf und nahmen die Sternbilder in uns auf. Redeten kaum. Eine Harmonie herrschte zwischen uns, die keinen Lärm brauchte, um ein unangenehmes Schweigen zu übertönen, weil das Schweigen kein bisschen unangenehm war. Es bestand aus einem Geflecht kaum wahrnehmbarer Geräusche, das uns umgab – pflanzliches Rauschen, Vogelgesang –, und aus unserer Körperwärme.
»Klar, dass es einem hier gut geht«, sagte Isacco.
Niemand erwiderte etwas
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