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Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)

Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Geda
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ich.
    »Ich würde mich freuen«, erwiderte Großvater. »Ihr könnt hier übernachten, wenn ihr wollt. Es gibt das Bett im ersten Stock und das Schlafsofa.«
    Mein Vater hob den Käse hoch, als wollte er damit anstoßen. »Aber morgen früh fahren wir. Ich will nicht zur Mittagszeit im Stau stehen.«
    Am nächsten Tag stand Großvater bei Sonnenaufgang mit uns auf, um uns Frühstück zu machen.
    Es sollten drei weitere Jahre vergehen, bevor wir uns wiedersahen. Während mein Leben sich äußerst abwechslungsreich gestaltete, überließ Großvater das seine dem Gott der kleinen Dinge. Ich traf ihn auf der Schwelle seines Hauses an. Alles schien unverändert: die Bilder, die er nach wie vor malte und hinter dem Sofa stapelte, ohne sie aufzuhängen; die Routiniertheit, mit der er sich um Cescos Käse kümmerte. Die Spaziergänge unter den Steineichen bis zum Seeufer. Das Verweilen am Wasser, das Ioles und sein Haus verschlungen hatte.
    Auf der Rückfahrt vom Chianti, nach einem Überraschungsbesuch bei Luna, verbrachte ich eine ganze Woche bei ihm und besuchte ihn dann noch zweimal während meines Studiums an der Accademia di Brera. Ich kam an, ohne etwas erklären zu müssen. Wenn er gerade kochte, gab er Fleisch zum Eintopf oder schnitt Kartoffeln für den Salat. Unsere Unterhaltung wurde genau dort fortgesetzt, wo sie das Jahr zuvor geendet hatte.
    Das letzte Mal habe ich nicht als solches wahrgenommen. Wie hatte Rosa bei Anselmos Tod noch so schön gesagt? Woher soll man wissen, dass man den Menschen, den man gerade vor sich hat, nie mehr wiedersehen wird?
    Ich verabschiedete mich so wie immer.
    Drei Monate später kam eines Spätnachmittags Ioles Anruf: Großvater sei tot. Sie habe ihn auf der Bank vorgefunden, den Kopf an den Türrahmen gelehnt, die Pfeife zwischen seinen Füßen am Boden. »Er ist erloschen«, sagte sie. Genau dieses Wort hat sie benutzt: erloschen. Und genau so stelle ich mir seinen Tod vor, vor allem jetzt, nachdem ich das Heft mit seinen Aufzeichnungen gelesen habe.
    Nach der Beerdigung beziehungsweise Einäscherung blieben meine Eltern noch eine Nacht. Aber nicht oben im Haus, sondern in einer neuen Pension, einem Agriturismo mit Blick auf die Piazza. Am nächsten Tag reisten sie gleich nach dem Frühstück ab.
    Ich bereitete mich gerade auf meine letzte Prüfung vor und beschloss, noch zehn Tage zu bleiben. Ich nahm mein Zimmer von damals in Beschlag und deckte mich bei Rosa ein. Da ich die Kochleidenschaft meines Vaters nicht geerbt habe, sorgte Iole dafür, dass ich nicht verhungerte. Ich lernte den ganzen Tag. Abends rief ich Luna an, denn inzwischen gab es Handyempfang. Wenn ich meinen Kopf frei bekommen wollte, lief ich durchs Haus und machte Ordnung, überlegte, was aufbewahrt werden sollte. Natürlich unser Bild, das mich seitdem täglich begrüßt, wenn ich mein Atelier betrete. Die Hemingway-Kurzgeschichten, die ich schließlich freiwillig in England gelesen hatte. Die riesigen Keramiktassen, aus denen ich in jenem Sommer am Ende des Jahrhunderts beim Frühstück getrunken hatte. Im Keller lagerten noch Käselaibe, doch Cesco wollte sie nicht unbewacht lassen und bald woanders unterbringen.
    Eines Abends nach dem Essen öffnete ich eine Schublade in seinem Zimmer und fand ein ganz normales Rechenheft für die Grundschule. Auf seinem Umschlag prangte ein Blumenmotiv. Noch im Stehen begann ich, es im sanften Schein der Nachttischlampe durchzublättern. Großvaters Handschrift war ungleichmäßig und schwer zu entziffern. Als ich begriff, was ich da vor mir hatte, nahm ich das Heft mit nach unten und las weiter. Es war fast schon Tag, als ich meine Lektüre schließlich beendete und es zuklappte.
    Ich schlief mit dem Heft in meinen Armen ein. Iole weckte mich gegen Mittag, als sie mir eine Auflaufform mit Lasagne brachte.
    Ich suchte nach den Ketten, doch ich konnte sie nirgends finden. Ich nahm das Heft mit, um es am Computer abzuschreiben, entzifferte die Worte Buchstabe für Buchstabe und ließ zu, dass sie sich mit dem Bild von Großvater vollsaugten, das in mir eingebrannt war.
    Zwischen den Heftseiten entdeckte ich eine schnell auf Paketpapier gekritzelte Notiz.
    Ich gehe die Straße entlang und werde von einem grünen Auto überholt. Ich trete beiseite, um es vorbeizulassen und den Staub nicht einatmen zu müssen. Hier kommen nur selten Autos vorbei. Außer mir wohnt niemand hier oben, es gibt nur ein paar baufällige Häuser, Wälder und Felder. Als ich um die Kurve biege,

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