Der Sommer der Schmetterlinge
diese abgeschiedene Hütte inmitten ertragloser Felder und unbefestigter Straßen, die sich während der Trockenzeit in Staub und während der Regenzeit in Schlamm verwandelten und nicht als Wege zum Erfolg taugten. Als er hierher gekommen war (aber nicht deswegen), hatte er gewusst: Das ist das Ende aller Träume. Und jetzt dachte er darüber nach, für seine nächste Arbeit, sein nächstes Bild, Erde zu verwenden – Erde und Farbe? Seine Gedanken waren so banal. So bedeutungslos. So flüchtig wie der Duft, den eine Frau im Vorübergehen hinterlässt.
Hoch oben am Himmel zog ein Flugzeug vorüber, fast unhörbar. Es gab keinen Flughafen in der Nähe. Bestimmt war es unterwegs in die Hauptstadt, nach Rio, zum Aeroporto do Galeão oder zum Santos Dumont. Die Köchin Jorgina, die den Großteil ihrer Zähne verloren hatte und nun stolz ein strahlend weißes Gebiss zur Schau trug, trat leise an Tomás heran und stellte eine Tasse heißen, duftenden Kaffee auf das schmiedeeiserne Verandatischchen. Sie war keine Frau, die viele Worte machte, sie mochte sie nicht. Ohne groß darüber nachzudenken, meinte sie, die Worte seien heimtückisch, wie ein Tier, das auf Beute lauert, und fast immer ungerecht. Sie sah zum Himmel und gab einen bedeutungslosen Seufzer von sich. Dann kehrte sie ins Haus und an den Herd zurück, wo die Bohnen, der Reis und der Braten dampften. In derFerne erblickte Tomás den neuen Pick-up von Ilton Xavier, der die Straße entlangpreschte und Staub aufwirbelte. All diese unauffälligen Bewegungen waren wie die Atemzüge eines Schlafenden, nicht mehr, sie brachten keine Unruhe in diesen Nachmittag.
Der Kaffee schmeckte sehr süß, zu süß, aber Tomás hatte gelernt, ihn so zu mögen, wie die Einheimischen ihn tranken: mit wenig Pulver und reichlich Zucker. Der Hund, den eine Bremse belästigte, hob den Kopf und schnappte sich das Insekt im Flug. Gleichgültig betrachtete Tomás seine von der Bermudahose nur zum Teil bedeckten Beine. Wie Tätowierungen zeichneten sich die rauen Male der Wildnis auf seiner Haut ab: unzählige Stiche von Moskitos, Zecken, Bremsen und anderem Getier, eine kleine Narbe an der linken Wade, dort, wo ihm beim Arzt in Jabuticabais eine Fliegenlarve herausgeschnitten worden war. Verletzungen, die er sich in den letzten Jahren zugezogen hatte – seit er hier lebte. So nah und doch so fern von jenem Mädchen in Weiß. Zu seinen Füßen bildete eine geschäftige Ameisenkolonne eine flimmernde Linie auf dem Boden.
Er war weder glücklich noch unglücklich. Ein Mann, der nichts weiter suchte als ein bisschen Stille und die Möglichkeit, aus keinem oder jedem erdenklichen Grund ein paar Tränen zu vergießen. Der eins werden wollte mit dem Staub der Straße, den der neue Pick-up von Ilton Xavier hinter sich zurückließ wie einen Gedanken.
In dem kleinen Wohnzimmer mit dem rötlichen Zementboden stapelten sich die Bilder, die Cândido amWochenende abholen würde, Gemälde von bescheidenem Anspruch und bescheidener Größe, die für hundert Reais das Stück weggingen und später die Salons des Provinzbürgertums, Arztpraxen und einfache Anwaltskanzleien schmückten. Cândido zufolge hatte der Notar von Jabuticabais zwei gekauft. Eines hing bei ihm im Büro, das andere hatte er einer Nichte zur Hochzeit geschenkt. Hin und wieder gab jemand ein Porträt in Auftrag, zum doppelten Preis. Cândido freute sich, doch an Tomás’ Laune änderte das wenig, sie blieb gleichförmig wie dieser trockene Nachmittag.
Auf den Landschaftsbildern gab es fast immer eine Straße, die ins Nirgendwo führte. Die hinter einem Baum oder einer Kurve oder einem Hügel verschwand. Und rechts unten stand die diskrete Signatur des Malers, der seine Gemälde nur deshalb signierte, weil die Kunden es verlangten. Früher, mit zwanzig, hatte Tomás sich geweigert, seine Arbeiten mit einer Unterschrift zu verschandeln, die die Gesamtkomposition zerstörte. Das war, als hustete jemand in einem Konzert, als gingen im Kino die Lichter an, bevor der Film zu Ende war. Inzwischen machte er, was die Kunden wollten, und in deren Augen verlieh eine Signatur dem Bild Authentizität. Status. Selbst die Signatur eines unbekannten Malers. Sie war unverzichtbar. Nun denn. Es spielte keine Rolle. Mit schwarzer Farbe und der Schönschrift eines Grundschülers setzte er seinen Namen darunter.
Einmal hatte ihm eine Kundin erzählt: Meine Nichte ist in Europa gewesen. In Paris. Und hat mir von dort einriesiges Poster mit einem
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