Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
interessierten sich überhaupt nicht dafür und orientierten sich. Rolo zögerte. Ihn überkamen arge Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg waren. Da hörte er ein Poltern. Driftwood und Socke schoben die Flügel einer großen, grauen Metalltür auseinander. Dahinter, am Ende einer noch größeren Halle, lagen die Aufzüge für die Fahrt unter Tage. Die Alben betraten die Halle, und Rolo folgte ihnen. Dampfende, brummende Maschinen säumten ihren Weg. Die Aufzüge hingen an dicken Seilen. Sie strebten viele Etagen durch vergitterte Schächte aufwärts. Bis unter die hohe Decke. Der Wirrwarr aus Balkonen und Treppen, der die verschiedenen Ebenen miteinander verband, erinnerte Rolo an die Farralot. Vor den Aufzügen stand ein großes, eckiges Pult mit blinkenden Lichtern. Es war mehrere Meter breit. Als Rolo seinen Blick die Armaturen entlang schweifen ließ, bemerkte er einen wirren Haarschopf, der dahinter hervorragte. Er stupste Socke an und deutete auf seine Entdeckung. Socke seufzte, und machte Driftwood darauf aufmerksam. Driftwood schnitt eine Grimasse und sprang leichtfüßig auf das Pult. Er fasste den Haarschopf und zog den Unglücklichen aus seinem Versteck. Der Mann bibberte am ganzen Körper. Seine Augen waren helle Punkte in einem kohlrabenschwarzen Gesicht. Er bekreuzigte sich.
„ Wir müssen da runter“, knarzte Driftwood.
Der Mann zuckte wie geohrfeigt. „Das geht nicht. Grubenwasser“, keuchte er atemlos.
Driftwood blickte ihn an wie die Schlange das Kaninchen. Der Bergmann versuchte, den Kopf abzuwenden, aber Driftwood hielt ihn fest.
„ Bitte!“
„ Also gut“, stammelte der Mann. „Wo wollt ihr denn hin?“
„ Oh“, stutzte Driftwood. „Wo wollen wir denn hin?“, rief er Socke und Rolo zu.
Die beiden steckten die Köpfe zusammen.
Driftwood nickte dem Mann aufmunternd zu. „Geht gleich weiter.“
„ Gibt es hier alte, stillgelegte Stollen?“, wollte Rolo wissen.
„ Was du meinst, sind Strecken. Die gibt’s. Sind aber schon ewig abgeworfen und in Verwahrung. Das heißt, die sind mit Schotter und Beton befüllt.“ Der Bergmann klang etwas weniger ängstlich als zuvor.
„ Fahren wir doch einfach mal runter“, schlug Driftwood vor.
Der Bergmann lachte. „Einfach mal runter? Wisst ihr, wie viele Kilometer Schächte da unten sind?“
„ Nein. Wie viele denn?“, fragte Driftwood mit ehrlichem Interesse.
„ So geht das nicht“, befand Rolo. „Wir brauchen einen Anhaltspunkt. Eine Spur. Irgendwas. Wir wissen ja nicht mal, was wir suchen.“
Das Unbehagen des Bergmanns wuchs sichtbar, als Socke näher kam, obwohl er freundlich grüßte, wie es seine Art war. Er wühlte in seiner Tasche und beförderte das Eiphon hervor. „Vielleicht hilft uns das.“
Rolo nahm es in die Hände. Und in diesem Moment begann es hell zu leuchten und tauchte Rolos Gesicht in einen goldenen Glanz.
„ Wie machst du das?“, staunte Driftwood.
„ Ich hab keine Ahnung“, flüsterte Rolo.
Wie schemenhafte Silhouetten im Gegenlicht des Vollmondes erschienen Symbole auf der Oberfläche des Eis. Rolo widerstand dem Drang, das unheimliche Ding fortzuwerfen, und ließ es seinen Zauber auf der ausgestreckten Hand vollziehen. Und obwohl das goldene Licht so hell schien, es blendete nicht. Sie sahen, wie die Symbole wie Würmer über die Oberfläche des Eis krochen und sich zu symmetrischen Mustern verbanden. Driftwood ließ von dem schlotternden Bergmann ab. Der ergriff die Gelegenheit beim Schopf und rannte wie von Sinnen davon. Doch als er gerade die Tür erreicht hatte, schleuderte Driftwood einen Zauber hinterher. Er traf den Mann im Rücken und streckte ihn nieder.
„ Entschuldigt, ich war kurz abgelenkt.“ Driftwood brachte sein Gesicht ganz nah an das Ei. Seine braunen Augen reflektierten das Licht. „Was tut es nur?“
Unter anderen Umständen hätte Socke Driftwoods Verhalten bestimmt nicht ungetadelt durchgehen lassen. Aber auch der vernünftige Nachtalb war völlig verzaubert.
„ Die Symbole kommen und gehen. Aber sie ergeben keinen Sinn.“
„ Vielleicht eine Geheimsprache?“, mutmaßte Driftwood.
„ Oder ein fremder Dialekt?“, grübelte Socke.
„ Vielleicht mal anstupsen“, meinte Rolo.
„ Oder was sagen?“, rätselte Socke.
„ Gute Idee! Sprich mit ihm!“ Sockes Nase stieß fast gegen das Ei, so dicht schob Driftwood ihn ran. Socke schaute etwas gequält drein, bevor er sprach: „Hier ist Socke, der Nachtalb. Ist da wer?“
Die Symbole brachen zusammen wie
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