Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
bestimmt Sorgen.“
Rolo bedankte sich und lief zurück zum Wagen.
„ Grubenwasser. Die Stollen laufen voll“, berichtete er den Alben.
„ Das ist doch super“, ereiferte sich Driftwood. „In dem Durcheinander können wir ganz entspannt hindurchschlüpfen.“ Er machte eine Zickzack Bewegung mit der Pfote. „Wie ein Fisch schwimmen wir hindurch.“
Ein Blitz zuckte und erhellte das Innere des Wagens.
„ Um dann da unten zu ersaufen? Ganz toller Trick“, bemängelte Rolo.
Es donnerte.
„ Du bist immer so pessimistisch. Es ist ein Wunder, dass es so viele Menschen gibt. Wenn ihr immer denkt, dass was Schlimmes passiert, warum vermehrt ihr euch dann ständig?“
„ Jetzt keine Streitereien“, beschwichtigte Socke. „Bitte! Lasst uns lieber gemeinsam überlegen, was wir machen.“ Driftwood sprach ruhiger als zuvor. „Ich sage, wir gehen rein. Wenn wir uns jetzt irgendwie durch den Zaun machen, wird uns keiner bemerken. Die haben anderes zu tun. Und wenn wir drin sind und sehen, dass es zu viel Wasser ist, gehen wir wieder.“
„ Und wenn wir drin sind, und das Wasser plötzlich steigt?“, fragte Rolo.
Der Regen gewann an Stärke.
„ Warum sollte es das tun? Socke, was meinst du?“
„ Hm. Ich sehe die Gefahr, und ich sehe die Chance“, wog Socke ab. „Allerdings erscheint es mir nicht richtig, dass wir so ein Durcheinander für nichts verursachen. Ich fürchte, es ist unsere Pflicht, jetzt weiter zu machen.“ „Brrr“, stimmte Kotze zu.
„ Drei zu eins“, verkündete Driftwood.
„ Alles klar. Ich verlass mich drauf, dass ihr wisst, was ihr tut“, seufzte Rolo.
„ Das wissen wir immer“, versicherte Driftwood.
Es blitzte und donnerte in kurzer Folge. Driftwood lachte dämonisch.
Auf der Westseite der Zeche wurden sie fündig. Eisenbahnschienen kreuzten die Straße und verschwanden zwischen den eng stehenden Gebäuden. Dafür war der Zaun unterbrochen. Nur eine Schranke versperrte den Weg. Die Gleise wurden von Kameras überwacht, die an dem nah stehenden Gebäude montiert waren.
„ Seht ihr die roten Lämpchen? Das sind Kameras. Ich denke, dass der Pförtner in seinem Fernseher das sieht, was sie aufzeichnen.“
„ Als ob da jetzt jemand Fernsehen guckt“, raunte Driftwood kopfschüttelnd.
„ Weißt du’s?“, fragte Rolo scharf.
„ Nein, weiß ich nicht. Ich bin ja auch kein allwissender Supermensch!“
„ Bitte“, beschwor Socke.
„ Brrr?“
Die Alben nickten.
„ Was?“
„ Kotze macht das klar.“
Rolo rümpfte die Nase. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie das aussehen sollte. Aber er behielt seine Bedenken für sich und versuchte, Kotze auf die Sprünge zu helfen.
„ Ich vermute, da sind Kabel, die von den Kameras wegführen. Wahrscheinlich verschwinden sie in der Wand. Wenn du die durchbeißt, ist alles geritzt.“
Kotze schielte zu Driftwood.
„ Mach sie platt!“, raunte der und öffnete seine Tür einen Spaltbreit.
Kotze sprang hinaus. Seine vier Stummelbeinchen ratterten mit der Geschwindigkeit von Nähmaschinennadeln über den nassen Asphalt. Kotze war klein, sein Körper winzig, und nur sein Kopf recht breit. Das wusste er selbst natürlich auch. So sprang er auf die linke Schiene des Gleises und lief quer. Flach, wie er war, blieb er so für die Kameras nahezu unsichtbar. Er huschte unter der Schranke hindurch und lief die Wand hoch, als wäre Schwerkraft nur ein Gerücht. Rolo raufte sich die Haare. Kotze blickte neugierig in die Kameralinse. Seine Zähne begannen zu vibrieren wie das Blatt einer Stichsäge. Funken flogen und die Kameras krachten eine nach der anderen zu Boden.
„ Abflug?“, fragte Rolo, die Hand am Türgriff.
„ Jetzt geht’s los“, jauchzte Driftwood.
Geduckt liefen sie die Gleise entlang unter der Schranke hindurch und zwischen die Gebäude. Dort blieben sie stehen, um sich zu orientieren. Vor ihnen verschwanden die Gleise durch ein Tor in einem hohen Turm, zu dem überdachte Fließbänder aus den niedrigeren Nebengebäuden führten. Davor zweigten Straßen ab.
„ Dort“, rief Driftwood.
„ Wo wollen wir denn hin?“, fragte Socke.
„ Wir sollten zusehen, dass wir die Weißkaue finden. Achtet auf Schilder.“
Rolo schielte um die Ecke. Als er niemanden sah, winkte er den Alben, ihm zu folgen. Die Straße war schmal und von Mauern gesäumt. Es gab keinerlei Möglichkeit, sich zu verbergen. Die Pfützen waren so tief, dass das schlammige Wasser ihnen bis in die Ohren spritzte.
Weitere Kostenlose Bücher