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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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kannte Rolo. Er hatte den Schmerz wirklich gespürt, als die Krähen ihn verletzten. An viel mehr konnte er sich, trotz angestrengtem Nachdenken, nicht erinnern. Nur daran, wie alle ihn angestarrt hatten. Sogar Patze. Rolo machte sich ernsthaft Sorgen um seinen Verstand. Vielleicht sollte er seinem Vater davon erzählen. Er musste bald von der Arbeit kommen. Von draußen drang Vogelgezwitscher ins Zimmer. Rolo streckte sich und schwang die Beine aus dem Bett. Auf Zehenspitzen balancierte er durch das Durcheinander aus Büchern und Klamotten, das den Boden bedeckte, zum Fenster. Schwungvoll stieß er die Fensterläden auf. Er musste die Augen abwenden, so hell war der Tag. Sonnenschein durchströmte den Raum und vertrieb die dunklen Bilder aus seinem Bewusstsein. Er stützte die Ellbogen auf die Fensterbank und schaute hinaus. Die Sonne stand wunderbar an einem wolkenlos blauen Himmel. Unten vor dem Haus lag der Garten. Sein Vater war schon da. Er saß auf der runden Holzbank, die den ältesten der Bäume umschloss, mit der Nase in einem großen Buch. Es sah aus, als würde er an dem Buch schnuppern, anstatt darin zu lesen, so dicht war sein Gesicht an den Seiten. Außer dem Gesang der Vögel und dem leisen Brummen eines elektrischen Rasenmähers, der irgendwo in der Nachbarschaft seinen Dienst tat, war es ruhig. Rolo ließ seinen Blick schweifen. Die Straße jenseits der Hecke, die den Garten begrenzte, flimmerte in der Mittagshitze. Die Platanen am Straßenrand ließen durstig ihre Äste hängen. Kein Mensch war zu sehen. Die meisten Bewohner der Windigen Straße hatten sich einen kühlen Platz in ihren windschiefen Häuschen gesucht. Die Häuser, ausnahmslos Fachwerk mit dunkelbraunen Reetdächern, hatten alle im Laufe ihres langen Daseins eine ordentliche Schieflage entwickelt. So sah es aus, als würde ein Haus sich müde auf das nächste stützen, welches wiederum seinen Halt im folgenden fand. Wie eine betrunkene Polonaise. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass so was durch unüberlegte Bebauung, schlechte Stadtplanung und Windkanäle passierte. Doch das war Rolo egal. Er fand, es war die schönste Straße in ganz Rabenstadt. Niemals hätte er mit seinen Freunden getauscht, die mit ihren Familien die neuen und einwandfreien Doppelhaushälften in den Neubaugebieten bewohnten.
Furz langweilig!
    Nach einem kurzen Abstecher ins Bad polterte er die gewundene Holztreppe hinab und raus in den Garten.
    Sein Vater schien sehr vertieft in seine Lektüre. Er trug Sandalen, eine braune Cordhose und ein grünes T-Shirt. Schwarze Locken standen ihm vom wirr vom Kopf ab. Ein zerzauster Vollbart bedeckte das Gesicht. Er hätte viel jünger aussehen können ohne den Bart. Doch auch so hatte er sich für seine achtunddreißig Jahre einen gewissen jungenhaften Charme bewahrt. Das nicht zuletzt wegen seiner schlaksigen Statur. Seine blauen Augen blickten durch die dicken Gläser einer Hornbrille.
    „ Na Paps, mal wieder im Dunkeln angezogen?“, lachte Rolo und pflückte sich einen Apfel von einem niedrigen Ast.
    Sein Vater räusperte sich und musterte ihn über den Rand seiner Brille. „Roland? Ich hab dich gar nicht kommen gehört.“
    Rolo schauderte. Niemand nannte ihn Roland. Außer Lehrer und manchmal sein Vater.
    „ Ich war vor dir da. Wir konnten früher nach Hause. Letzter Schultag“, log er. „Jetzt sind Sommerferien!“ Er reckte begeistert die Arme in die Luft.
    Sein Vater blieb völlig unbeeindruckt, blätterte eine Seite weiter und murmelte so etwas wie: „Ach so.“
    Rolo rollte genervt mit den Augen. Wenn Paps in dieser Stimmung war, hatte es keinen Sinn, mit ihm zu reden. „Gibt’s was zu essen?“, fragte er, um irgendwas zu sagen.
    Sein Vater schaute nicht mal auf, als er antwortete. „Steht in der Küche.“
    Rolo lief ins Haus.
    „ Und füttere den Kater!“, hörte er Paps noch rufen.
    Drinnen war es angenehm kühl. Die schattige Diele mit dem tief hängenden Deckenleuchter durchquerte Rolo leicht gebückt, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Die Küche war nicht groß. In zahllosen Regalen stapelten sich Konservendosen und Tütensuppen, die Grundnahrungsmittel des Männerhaushaltes. Viele waren so alt, dass die Etiketten ganz blass und unleserlich geworden waren. Rolo nannte das Überraschungsessen. Auf einem Stuhl rekelte sich Igel. Der Kater war schwarz wie die Nacht mit bersteinfarbenen Augen.
    „ Guten Tag, Igel.“ Rolo warf einen Blick auf die Uhr. „Herrje, schon Viertel nach eins!“ Er

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