Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
Pelz.
„ Das gibt Ärger!“
„ Vorsicht!“, rief Socke. Er wusste ja, was kam.
Driftwood blickte auf. Zwei Äxte schnellten aus der Dunkelheit auf ihn zu. Er ließ sich fallen und sie verfehlten ihn nur um Haaresbreite. Plötzlich setzte ein mechanisches Rattern ein. Die Tür schloss sich mit einem Knall und aus Schlitzen in der Mauer floss Wasser. Driftwood hasste einen nassen Pelz. Er suchte nach einem Ausweg, doch schon stand ihm das Wasser bis zum Hals. Ein kleines Boot trieb vor seinem Gesicht. Er schlug danach, aber sofort tauchte es wieder auf. Dann verlor er den Boden unter den Füßen. Schwimmen war nicht seine Stärke. Wild ruderte er mit den Armen. In der Decke öffnete sich eine Luke. Das war schon ein besonderes Entgegenkommen ihres Gastgebers, aber davon hätte Driftwood jetzt bestimmt nichts wissen wollen. Das steigende Wasser drückte ihn hinauf durch die Luke in ein enges Rohr. Driftwood presste die Arme an den Körper und hielt die Luft an. Abgesehen vom besorgniserregenden Mangel an Sauerstoff machte die Fahrt ihm jetzt richtig Spaß. Besonders jetzt, wo er noch mal an Tempo gewann. Das verzweigte System aus Rohren führte steil hinauf. Dann zur Seite. Dann nach draußen. Mit einem Wasserschwall schoss Driftwood im hohen Bogen hinaus, prallte gegen einen Baumstamm, und blieb liegen.
Socke, selbst kaum größer als ein Apfel, erreichte das Ende des Gangs. Er öffnete die Tür und ging mit Kotze, der jetzt die Größe einer Murmel hatte, in den Raum. Dort war alles wieder trocken. Die Äxte schwangen hoch über sie hinweg. Sie bestiegen das Boot. Der Raum füllte sich mit Wasser. Das Boot schwamm hinauf zur Decke. Eine Luke öffnete sich, und sie glitten hinein. Kotze starrte in das dunkle Wasser hinab.
„ Ganz ruhig, ich hol ihn gleich“, sagte Socke. Und wie in einer Regenrinne glitten sie in Trödels Laden. Zwischen zahllosen Kleiderständern, Möbeln und Setzkästen stand der Hausherr. Trödel hatte runde Augen, eine ausladende Schnauze und eine Nase wie eine Rosine. Dazu sehr große Fledermausohren. Sein Fell war hellgrau, sein Schwanz buschig und geringelt. Er trug ihn mit viel Stolz. Socke kletterte aus dem Boot und hob Kotze hinaus. Trödel überreichte beiden eine Karte.
„ Driftwood nicht da?“, grinste er.
„ Ich geh ihn holen“, sagte Socke.
Driftwood saß in einer Ecke des Ladens. Er bibberte, obwohl es nicht kalt war, eingehüllt in eine dicke Wolldecke. Hustend schlürfte er Schluck für Schluck ein dampfendes Gebräu aus einem Becher, den er mit beiden Pfoten festhielt. Kotze lag auf seinen Füßen und schlief. Socke und Trödel standen etwas abseits zwischen den Fingerhüten, die Trödel als Helme, und den Goldmünzen, die er als Wandgemälde verkaufte.
„ Socke, wirklich schön, dich zu sehen“, sagte Trödel mit einem Seitenblick zu Driftwood. „Wie lang ist das her, dass ich deine geschätzte Gesellschaft genießen durfte?“ Er bemühte sich, vornehm durch die Nase zu sprechen.
„ Ewig, Trödel, ewig und viel zu lang.“
„ Wo hast du denn die Jahre verbracht, mein Freund? In Ascot, auf einem Landsitz? Beim Pferderennen?“
„ Och, weißt du, wir mussten uns eine Weile aus dem Geschäft zurückziehen.“
„ Das wundert mich nicht. Dass du dich immer noch mit diesem Dahergelaufenen herumtreibst.“
Driftwood nieste.
„ Ach, lass gut sein, Trödel. Er ist in Ordnung, wenn man ihn kennt.“
„ Ich weiß nicht.“ Trödel zuckte die schmalen Schultern. „Je mehr ich ihn kenne, desto mehr finde ich ihn zum … Na ja, womit kann ich dich denn heute beglücken, begeistern oder verzaubern in Trödels Trödelparadies?“ Er drehte sich mit ausgebreiteten Armen um die eigene Achse. „Du sagtest ja, dass ihr gerade etwas in Not seid. Du weißt, ich bin ein Gentleman. So werde ich dir nicht mit Fragen zu eurer Lage zu Nahe treten. Ich will jetzt auch nicht wieder davon anfangen, was ich dir schon mehr als einmal gesagt habe.“
„ Fein“, sagte Socke. Für ihn war das Thema damit erledigt. „Sag mal, hast du in letzter Zeit noch andere gesehen?“
„ Du meinst vom Nachtvolk?“ Trödel legte sich seinen Schwanz über den Arm und schritt erhaben auf und ab. „Nein, hab ich nicht. Ich vermute, das liegt daran, dass ich mich damals nicht auf die krummen Geschäfte mit dem irren Salka eingelassen habe.“
„ Salka?“ Socke erinnerte sich. „Natürlich, das war der alte Nachtalb mit dem Buckel und der Krücke. Und hatte er nicht nur ein
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