Der Sommerfaenger
schnalzte vielsagend mit der Zunge.
Ich hatte das Bedürfnis, ihn anzuspucken. Ihm beim nächsten Versuch, mich zu küssen, mit aller Kraft in die Lippe zu beißen. Ihm zwischen die Beine zu treten.
Doch Luke zuliebe hielt ich mich zurück.
Kristof beugte sich über mich und presste die Lippen auf meinen Hals, als Luke unerwartet den Kopf nach hinten warf und sich bückte. Man konnte hören, wie Rons Nase brach.
Er heulte auf und stürzte sich auf Luke, der im letzten Moment auswich, sodass Ron gegen die Glasscheibe prallte.
Luke machte einen Satz und riss Kristof von mir weg. Dann wirbelte er herum und landete einen Tritt gegen seinen Kopf. Kristof taumelte und sank benommen auf die Knie. Der Doc stürzte auf ihn zu.
»Polizei! Hände hoch!«
Unbemerkt war der Kommissar auf der Dachterrasse erschienen. Neben ihm tauchte seine Kollegin auf. Beide hielten eine Waffe.
Kristof rappelte sich auf und klopfte sich unsichtbaren Staub von der Hose.
»Erledige ihn«, sagte er zu Tessa und deutete mit einer gleichmütigen Kopfbewegung auf den Kommissar.
»Nein«, sagte Tessa.
»Wie bitte?« Kristof zeigte mit dem Finger auf sie. »Wir haben eine Abmachung, und du weißt, was passiert, wenn du dich an deinen Teil der Abmachung nicht hältst.«
Tessa rührte sich nicht.
»Ron«, sagte Kristof.
Ohne zu zögern, senkte Ron den Kopf und rannte los.
»Halt!«, rief der Kommissar.
Ron stieß der überrumpelten Tessa den Kopf in den Leib. Sie riss die Arme hoch und taumelte rückwärts gegen das Holzgeländer. Es krachte. Splitterte.
Und dann war da, wo das Geländer gewesen war, bloß noch ein Loch.
Tessas Schrei bohrte sich in mein Gehirn, und ich wusste, ich würde ihn nie mehr vergessen.
*
Bert unterdrückte den Impuls, sich umzudrehen und in die Tiefe zu blicken. Den Sturz aus dieser Höhe konnten Tessa und Ron nicht überlebt haben. Übelkeit lag Bert wie ein Stein im Magen.
»Waffen weg!«, rief er.
Der Mann, der mit zwei Pistolen mitten im Zimmer stand, ignorierte die Aufforderung und zielte auf ihn. Der Doc, dachte Bert. Demnach musste der andere Kristof Machelett sein.
Bert sah, wie Jette sich bückte und einen Gegenstand vom Boden aufhob. Sie schleuderte ihn mit aller Kraft auf den Doc und traf ihn an der Stirn. Mit einem Schmerzenslaut ließ er die Waffen fallen und hielt sich den Kopf.
»Hände hoch!«, rief Bert ein zweites Mal, die Waffe auf Kristof gerichtet.
Der dachte gar nicht daran. Er machte einen Schritt auf Jette zu, als Luke wie ein Schatten durch die Luft flog und ihn mit einem gezielten Tritt gegen das Kinn zu Boden warf.
Bert wusste nicht, welche Kampftechnik er da gerade beobachtet hatte, aber er sah, dass Luke sie blendend beherrschte. Kristof versuchte, sich aufzurichten, sank jedoch ächzend wieder nieder und blieb liegen.
Wenige Minuten später hatte Bert den beiden Handschellen angelegt, Notarzt und Rettungsdienst angefordert und die Kollegen informiert. Endlich konnte er sich um Isa kümmern.
Sie reagierte nicht. Ihre Augen waren geschlossen. Sie hatte sehr viel Blut verloren.
Die Kugel war unterhalb ihrer linken Brust eingedrungen. Sie hatte das Herz anscheinend knapp verfehlt.
Jette hatte im Badezimmer ein noch nicht angebrochenes Erste-Hilfe-Set aufgetrieben. Bert legte Isa einen provisorischen Rahmenverband an, der die Wunde schützen würde, bis der Notarzt eintraf.
Dann ließ er Isa in Jettes Obhut und die beiden Männer unter Lukes Aufsicht zurück und kletterte über die Feuerleiter nach unten, um nach Tessa und Ron zu sehen.
Der Anblick war entsetzlich.
Beide mussten auf der Stelle tot gewesen sein.
Hier und da brannte Licht in den Fenstern. Neugierige Gesichter erschienen hinter den Scheiben. Bald würde hier der Teufel los sein.
Bert blieb bei Tessa, bis der Notarzt und die Kollegen eintrafen.
Sie hatte ihm das Leben gerettet.
Ihre Schuld würde an den Tag kommen. Das würde er nicht verhindern können. Aber zu dem, was sie zuletzt getan hatte, waren nur wenige Menschen imstande.
32
Kristof und der Doc warteten nun ebenso auf ihren Prozess wie Leo Machelett und seine wichtigsten Leute. Die Organisation war zerschlagen und stellte für Luke keine unmittelbare Gefahr mehr dar.
»Ich möchte mein Leben behalten«, hatte er zum Kommissar gesagt. »Ich werde nicht mehr untertauchen.«
Isa war operiert worden und lag im Marienhospital auf der Intensivstation. Der Kommissar wollte uns Bescheid geben, sobald sie Besuch empfangen durfte. Er selbst hatte sie
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