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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Prolog
     
    Auf Weltraumbahnhöfen wächst kein Gras. Daran sind nicht die alles verschlingenden Flammen der Triebwerke schuld, über die Journalisten so gern schreiben. Nein, es regnen einfach zu viele Gifte zu Boden, wenn die Trägerraketen aufgetankt werden oder Brennstoff notfalls abgelassen wird, wenn mal eine Rakete auf dem Starttisch explodiert oder die verschlissenen Leitungen durch kleine, unvermeidlich auftretende undichte Stellen Flüssigkeit verlieren.
    Aber dieses Kosmodrom lag nicht auf der Erde.
    Ich saß im Gras, am Rand eines gewaltigen uneingezäunten grünen Feldes. Man hätte es für einen Tennisplatz von Riesen halten können oder für die Ausgeburt der kranken Phantasie eines golfverrückten Milliardärs.
    Allerdings war hier gar kein Geld in Umlauf.
    Mein Gesicht brannte, als schmirgle ein unsichtbarer Sadist die Haut von innen ab. Da das der Wahrheit entsprach, versuchte ich, den Schmerz zu ignorieren.
    Wie auf dem Präsentierteller ragten auf dem Grün des Kosmodroms völlig chaotisch kleine silbrige Raumschiffe empor. Vor gar nicht langer Zeit hatte ich schon einmal hier gestanden, damals hatte mein vernebeltes Bewusstsein jedoch verhindert, dass ich all das mit den Augen eines Erdbewohners wahrnahm. Jetzt dagegen … Jetzt multiplizierte ich die Kampfkraft eines einzelnen Schiffs erst mit ihrer Gesamtzahl, dann mit der mutmaßlichen Zahl von Weltraumbahnhöfen auf dem Planeten und baute auch zwei Unbekannte in die Gleichung ein, nämlich sowohl die Schiffe, die gerade durchs All flogen oder auf den Planeten der Freunde warteten, wie auch jene Raumkreuzer, die den Orbit nie verließen. Das Ergebnis war natürlich sehr ungenau, die Streubreite betrug eine ganze Zehnerpotenz.
    Aber welchen Unterschied macht es schon, ob jemandem eine Tonne Ziegel auf den Kopf fällt oder zehn Tonnen?
    Ich kaute auf einem Grashalm und streckte mich im Gras aus. Auf dem Rücken liegend, schaute ich in den Himmel hinauf. Gibt es in irgendeiner Welt, zu irgendeiner Zeit etwas, das unveränderlicher wäre als der Himmel? Daliegen, den säuerlichen Saft auf den Lippen schmecken, spüren, wie der endlose Himmel an einem zieht, einen einsaugt … Wie die Welt sich umdreht, und schon liegt man nicht mehr auf dem Rücken, entspannt und faul, mit zusammengekniffenen Augen in die Endlosigkeit blinzelnd, sondern der ganze Planet lastet einem auf den Schultern, und man hält ihn über dem Himmel hoch. Der letzte und einzige Atlas … –
    Der Saft des Grashalms war bitter und ätzend, hervorgebracht von einer fremden Erde. Den Himmel bedeckte eine aparte Zierdecke aus Wolken-für-angenehm-kühles-Wetter. Durch ein solches G itter fällt man nicht.
    Nicht ich habe diese Welt auf den Schultern zu tragen.
    Ich drehte den Kopf und zwang den Planeten damit, sich mir unter die Füße zu legen. Ich betrachtete den reglosen Körper neben mir. Der Mann lebte, würde aber eine ganze Weile bewusstlos bleiben.
    »Bist du fertig, Cualcua?«, fragte ich laut.
    Ja. Eure Gesichter und eure Haut sind jetzt identisch, antwortete mein Symbiont, tonlos flüsternd.
    »Danke.«
    Soll ich die Figur angleichen?
    Der Mann war kräftiger und größer als ich. Eine Tarnung würde mir nicht schaden. Doch allein der Gedanke an jene neuerlichen Schmerzen, die mit der Transformation des Körpers einhergehen würden, löste leichte Panik in mir aus.
    »Nein, das ist nicht nötig.«
    Ich richtete mich in Hockstellung auf und zog dem Mann die Kleidung aus. Nur gut, dass man auf diesem Planeten einen weiten Schnitt bevorzugte.
    »Glaubst du, wir kommen von hier weg?«, fragte ich das Wesen, das in meinem Körper lebte.
    Vielleicht.
    Die Cualcua kennen weder Takt noch Angst vorm Tod. In letzter Zeit fand ich Gefallen an dieser Einstellung.
    Nachdem ich mir die Sachen des anderen Mannes angezogen hatte, stand ich auf. Fünfhundert Meter vor mir machte ich flache, fensterlose Bauten aus. Waren das Hangars? Werkstätten? Oder Treibstofftanks?
    »Ob sie Rimers Schiff womöglich noch gar nicht zerstört haben?«, fragte ich voller Hoffnung. »Es wäre schön, wenn wir damit zurückkehren könnten …«
    Der Cualcua antwortete nicht, seltsamerweise meinte ich jedoch, einen Abklang von seinen Gefühlen zu erhaschen. Leichte Ironie, Sympathie und Billigung.
    Ob sich ein Wesen, das als lebender Mechanismus dienen muss, als Panzerung und Lenkvorrichtung eines Torpedos, in die Technik hineinversetzen kann? Ob das Mitgefühl mit einem Schiff für dieses Wesen eine der

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