Der Sonntagsmonat
oder ein Fortleben in Kindern oder guten Taten oder in Kunstwerken anbieten oder die völlige Identifizierung mit dem Menschengeschlecht oder den Segen endgültiger und absoluter Ruhe, sind Versucher und Verräter des Herrn. Ist denn die Situation in unseren Kirchen nicht tatsächlich die, daß wir von der Kanzel aus mit unserem guten Willen und unserem wortreichen Humanismus alles tun, um unsere armen Schafe von diesen Überbleibseln einer barbarischen Lehre, die sich im Glauben erhalten haben wie Iguanodon-Spuren im Kalkstein und die das einzige sind, was sie sonntags morgens aus ihren warmen Betten treibt, fortzulocken?
Doch die Auferstehung des Leibes ist unmöglich. Genauso unmöglich, wie man um der Gerechtigkeit willen sagen muß, für Paulus und seine Korinther wie für uns; denn wenn es in deren Welt auch mehr chemische und astronomische Geheimnisse gab als in der unseren, so gab es doch auch mehr Leichen und mehr miterlebtes Sterben, mehr verwesende Wirklichkeit.
Kein Mensch, es sei denn Jesus selbst, hat je geglaubt. Wir können nur bekennen, daß wir glauben. Wir stehen, lieben Brüder, dort, wo wir stehen, in unseren unmöglichen und oft unheilvoll müßigen Berufen, an einer Grenze zwischen einander entgegengesetzten Dringlichkeiten, wo oft nicht einmal Raum genug ist, um den Fuß auf den Boden zu setzen – wir stehen deshalb so, wie Türme stehen, wie Symbole. Es ist unsere Stellung – auf daß wir zu sehen sind und den Menschen zu der Möglichkeit verhelfen, das Unmögliche zu bekennen, das es ihnen möglich macht, ihr Leben zu leben. In einem zumindest hatte die katholische Kirche recht: ein Priester ist mehr als ein Mann, und obwohl der Mann sich in seinen Gewändern auflöst und erniedrigt wird, bis er geringer ist als das lässigste Mitglied seiner Gemeinde, kann der Priester fortfahren, seine Funktionen auszuüben, so wie eine Vogelscheuche ihre Funktionen erfüllt.
Meine Brüder. Eure Gesichter, gebräunt von der Sonne, fett von einem Monat Spiel und Alkohol, Sandwiches und Maispasteten, blicken in meiner Vorstellung zu mir auf, und ich kenne eure Gesichter jetzt, wie ich einst die Gesichter und Schleier meiner verlorenen Vorstadtgemeinde kannte. Als Blitzableiter für die Ängste der Menschen, freigelassen, damit wir in unseren Gemeinwesen umhergehen als eher lachhafte «Entstörer», nehmen wir natürlich Angst und Unruhe in uns auf. Vielleicht sind wir das letzte Salz, ehe die Welt endgültig «dumm» wird. Vielleicht aber auch wird sich jetzt – es wäre eine Sünde, wenn wir diese Möglichkeit leugneten – die von Paulus als so unmittelbar bevorstehend erwartete Wiederkunft Christi ereignen, und die zwei dazwischenliegenden Jahrtausende erweisen sich als das geistesabwesende Zögern eines huldvollen Gastgebers, die Hand zu heben und nach dem Dessert zu klingeln oder mit dem Messer ans Weinglas zu schlagen, um so die Tischrunde zum Aufmerken zu veranlassen.
Schöpfen wir in diesen Zwischenzeiten Trost zumindest aus der Steifheit unserer Rollen, die immer noch stehen, auch wenn wir darin zerbröckeln. Wir erfinden uns ja nicht selbst und überreden dann Menschen, Raum für uns zu suchen. Es ist vielmehr so, daß Menschen unser Amt erfinden und uns überreden, es auszufüllen.
Bald muß ich euch verlassen, so wie ihr mich verlassen müßt. Wir haben seltsame Ferien miteinander verbracht – sie lassen sich am besten mit den Trauerferien vergleichen, die konfuzianischer Brauch einem Mandarin auferlegte, der, wenn in der Mitte seines Lebens ein Elternteil von ihm starb, eine Zeit der Einkehr in den Bergen verbrachte, fern von den Forderungen der Verantwortung und des Konkubinats. Und auf solche Weise abgeschieden, bereitete er sich innerlich auf den ihm verbleibenden Rest seiner Lebensreise vor. Qui m’ y a mis? Wer hat mich hier hingestellt? Dieser Aufschrei ertönt in einem Abschnitt von Pascal, der mich in den fernen Tagen – verloren, wie so vieles andere! – beeindruckte, als ich das Predigerseminar besuchte und der blütenblassen Tochter des Professors für Ethik den Hof machte. Auf derselben Seite, auf welcher der Penseur sein Erschrecken angesichts des ewigen Schweigens der unendlichen Räume gesteht, bekennt er noch eine andere Angst: Je m’ effraie et m’ étonne de me voir ici plutôt que là, car il n’ y a point de raison pourquoi ici plutôt que là, pourquoi à present plutôt que loin? Qui m’ y a mis?
Qui m’ y a mis? Kann das erschreckende und verwunderliche
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