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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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1KONTROLLPUNKT
    Der Amerikaner reichte Leamas noch eine Tasse Kaffee und sagte: »Warum gehen Sie nicht heim und legen sich schlafen? Wir können Sie anrufen, wenn er auftaucht.«
    Leamas sagte nichts, er starrte durch das Fenster der Kontrollbaracke die leere Straße hinunter.
    »Sie können nicht ewig warten, Sir. Vielleicht kommt er zu einem anderen Zeitpunkt. Wir könnten die Polizei bitten, die Dienststelle anzurufen. Sie wären innerhalb von zwanzig Minuten wieder hier.«
    »Nein«, sagte Leamas, »es ist jetzt fast dunkel.«
    »Aber Sie können nicht ewig warten. Er ist jetzt schon neun Stunden überfällig.«
    »Wenn Sie wollen, gehen Sie.« Leamas fügte hinzu: »Sie sind sehr hilfsbereit gewesen. Ich werde sagen, dass Sie verdammt anständig waren.«
    »Aber wie lange wollen Sie warten?«
    »Bis er kommt.« Leamas ging zum Beobachtungsfenster und stellte sich zwischen die zwei bewegungslosen Polizisten. Ihre Feldstecher waren auf den ostzonalen Kontrollpunkt gerichtet.
    »Er wartet die Dunkelheit ab«, flüsterte Leamas. »Ich weiß es.«
    »Heute morgen sagten Sie, er werde mit den Arbeitern herüberkommen.«
    Leamas wandte sich zu ihm. »Agenten sind keine Flugzeuge. Sie haben keine Fahrpläne. Er kann hochgegangen oder auf der Flucht sein. Vielleicht hat er Angst. Vielleicht ist Mundt hinter ihm her, jetzt, in diesem Augenblick. Er hat nur eine Chance, lassen Sie ihn selbst den richtigen Zeitpunkt wählen.«
    Der jüngere Mann zögerte. Er wollte gehen, aber er fand nicht den passenden Abgang.
    In der Baracke läutete eine Glocke. Sie warteten voll plötzlicher Spannung. Ein Polizist sagte auf deutsch: »Schwarzer Opel Rekord, westdeutsches Kennzeichen.«
    »Er kann in der Dämmerung nicht so weit sehen«, flüsterte der Amerikaner. »Er vermutet es nur.« Dann fügte er hinzu: »Wie konnte Mundt das wissen?«
    »Seien Sie ruhig«, sagte Leamas vom Fenster her. Einer der Polizisten verließ die Baracke und ging auf die weiße Demarkationslinie zu, die wie die Grundlinie eines Tennisplatzes auf die Straße gemalt war. Einen halben Meter von ihr entfernt war aus Sandsäcken ein Unterstand errichtet, und der andere Polizist wartete, bis sein Kamerad dort hinter dem Teleskop kauerte, dann legte er seinen Feldstecher nieder, nahm seinen schwarzen Helm bei der Tür vom Haken und setzte ihn sorgfältig auf. Irgendwo, hoch über dem Kontrollpunkt, flammten die Bogenlampen auf und überfluteten die Straße vor ihnen mit grellem Bühnenlicht.
    Der Polizist begann seinen Kommentar - Leamas kannte ihn auswendig.
    »Wagen hält an der ersten Kontrolle. Nur ein Insasse, eine Frau. Wird zur Ausweiskontrolle in die Vopobaracke gebracht.« Sie warteten schweigend.
    »Was sagt er?« fragte der Amerikaner. Leamas gab keine Antwort. Er nahm einen Feldstecher und starrte unverwandt zu der ostdeutschen Kontrollstelle hinüber.
    »Ausweiskontrolle beendet. Darf weiter zur zweiten Kontrolle.«
    »Mr. Leamas, ist das Ihr Mann?« fragte der Amerikaner hartnäckig. »Ich sollte die Dienststelle anrufen.«
    »Warten Sie.«
    »Wo ist der Wagen jetzt? Was tut er?«
    »Devisenkontrolle, Zoll«, antwortete Leamas kurz angebunden.
    Leamas beobachtete den Wagen. Es standen zwei Vopos an der Fahrertür, der eine sprach, der andere hielt sich abwartend im Hintergrund. Ein dritter schlenderte um den Wagen herum. Er blieb beim Kofferraum stehen und ging dann zur Fahrerin zurück. Er verlangte den Schlüssel. Er öffnete den Kofferraum, schaute hinein, schloß ihn, gab den Schlüssel zurück und ging auf der Straße dreißig Schritte weiter bis zu dem einzelnen ostdeutschen Posten, der dort auf halbem Wege zwischen den beiden Kontrollpunkten stand: eine vierschrötige Silhouette in Stiefeln und bauschigen Hosen. Die beiden sprachen miteinander, das gleißende Licht der Bogenlampen machte sie befangen.
    Mit der dafür typischen Geste bedeutete man dem Wagen weiterzufahren. Er erreichte die beiden Wachtposten in der Mitte der Straße und hielt wieder. Die beiden gingen um den Wagen herum, traten zur Seite und sprachen aufs neue miteinander; schließlich ließen sie ihn fast widerwillig über die Linie in den westlichen Sektor weiterfahren.
    »Erwarten Sie einen Mann, Mr. Leamas?« fragte der Amerikaner.
    »Ja, einen Mann.«
    Leamas schlug den Kragen seiner Jacke hoch und trat in den eisigen Oktoberwind hinaus. Erst jetzt wurde er sich wieder der Menschenmenge bewußt. Das war etwas, das man innerhalb der Baracke vergaß: diese Gruppe erstaunter

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