Der Spion der Fugger Historischer Roman
schüttelte fassungslos den Kopf. Die anderen Anwesenden mussten den Eindruck haben, dass Peutinger nun völlig den Verstand verloren hatte.
Als er seine Sprache wieder unter Kontrolle hatte, blickte Peutinger zu Escobar. »Ich gebe zu, Ihr versteht Euch aufs Verhandeln«, sagte er, immer noch kichernd. »Ihr wollt mich dafür verantwortlich machen, dass die Engländer Euer Gold geraubt haben? Jetzt verstehe ich! Ich war erschüttert, wegen der Güte dieser Rosenobel. Ihr seht ja selbst an meiner Anweisung, dass ich von anderen Dingen ausging. Das wird uns einen ziemlichen Schaden zugefügt haben. Aber dass Ihr glaubt, wir hätten mit den Engländern . . . wie kommt Ihr nur darauf, Escobar? Wenn es nicht so amüsant wäre, wie Ihr Euch verrannt habt, ich wäre ernsthaft erzürnt über Eure Frech . . .«
Mitten im Wort brach Kasper Peutinger ab, und auch sein krampfhaftes Lachen erstarb abrupt. Er blickte auf den Mönch, der vorhin der Goldprobe ausgeführt hatte und nach wie vor auf Escobars Stuhl saß – und der nun endlich seine Kapuze heruntergezogen hatte.
»Sachs . . .«, war alles, was Peutinger hervorbrachte.
Im nächsten Augenblick brach das Chaos über den Rittersaal der Burg Hohensax herein. Die aufgestaute Wut und Aggression des Hauptfaktors schien sich jetzt mit einem Mal entladen zu wollen. Und sie schien sich auf den falschen Mönch auf der anderen Seite des Tisches zu konzentrieren. Wie ein Blitz sprang Kasper Peutinger von seinem Stuhl hoch, warf sich auf den Tisch und stürzte über diesen hinweg auf seinen Fugger-Agenten zu.
»Du Ausgeburt der Hölle!«, brüllte er dabei, und die im Hintergrund anwesenden Damen schrien erschrocken auf. Sie alle spürten die brutale Gewalt, die gleich ausbrechen würde. Kreischend stürzten sie zur Tür und hinaus in den Vorraum.
Der Hauptfaktor hatte während seiner Attacke sein Messer gezogen, das er nach dem Essen wieder in den Gürtel gesteckt hatte, und wollte es nun Amman Sachs in die Brust stoßen, genau dorthin, wo auf dessen Kutte das rote Kreuz des Christusordens prangte. Doch der Schweizer war schneller und wich dem Angreifer geschmeidig aus. Eine wilde Verfolgung entbrannte, während die anderen Anwesenden, immer noch überrascht, abzuwägen schienen, was sie tun sollten.
Genau so plötzlich, wie Peutinger – der nun tatsächlich den Eindruck machte, als hätte er den Verstand verloren – die Verfolgung Amman Sachs’ begonnen hatte, besann er sich nun mitten in der Bewegung eines anderen. Er drehte sich um und blickte auf den König von Spanien, der völlig ungerührt von dem Durcheinander kerzengerade auf seinem Stuhl saß und alle Vorgänge um sich herum mit nahezu stoischer Ruhe verfolgte. Ihn schien der Hauptfaktor nun als neues Ziel seines entfesselten Hasses ausgemacht zu haben. Langsam schritt er auf den Monarchen zu, als würde er jeden Augenblick seines neuen Frevels auskosten wollen. Doch ehe er König Philipp erreichte, dröhnte ein Knall durch den Rittersaal, und Kasper Peutinger stürzte tödlich getroffen zu Boden.
So wild das Chaos eben getobt hatte – jetzt schien für einen Augenblick die Welt stillzustehen. Selbst der König hatte den Atem angehalten. Erst als er deutlich hörbar ausatmete, löste sich auch bei den anderen im Saal der Schrecken.
Amman Sachs starrte auf den Mönch, der immer noch mit ausgestrecktem Arm, eine rauchende Pistole in der Hand, an einer der Wände stand, und er erkannte zu seinem grenzenlosen Erstaunen keinen Geringeren als Francis Walsingham in der Kutte, die ja auch ihm selbst die ganze Zeit als Tarnung gedient hatte.
»Was tut Ihr hier?«, brachte der Fugger-Agent schließlich hervor.
Walsingham senkte die Pistole und versteckte sie wieder unter seinem Umhang. Auch Alfonso de Escobar kam jetzt näher, um den Schützen zu betrachten.
»Eigentlich wollte ich nur auskundschaften, was hier verhandelt werden sollte. Diese Mönche boten eine gute Gelegenheit, hier hereinzukommen. Drüben in den Gesindekammern findet Ihr einen Eurer Geistlichen, der morgen einen Brummschädel haben dürfte.«
Nun erkannte auch der spanische Kanzler den Engländer. »Francis Walsingham, der Spion Ihrer Majestät! Königin Elisabeth wird aber nicht zufrieden mit Euch sein, wenn sie erfährt, dass Ihr ihrem Intimfeind das Leben gerettet habt.«
Viele Männer schüttelten nun dem Engländer die Hand, auch der gerettete König selbst. Allein der Fugger-Regierer saß immer noch wie betäubt auf seinem Platz und wurde
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