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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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streichelte ihn, gab ihm einen Kuss, dann kroch sie über ihn hinweg zum anderen Ende der Grube, wo der Wolf rasche Fortschritte machte. Nur noch fünfzig Zentimeter trennten sie vom Feind. Sie sah seine weiß gesprenkelten Pfoten, die grabenden Krallen, sie roch seinen beißenden, bedrohlichen Geruch. Nie war ihr ein Atemhauch menschenunähnlicher und fremder erschienen als dieser.
    Dreißig Zentimeter von der Öffnung entfernt, stützte sich Diane auf die Ellenbogen, schloss die Hände um die Glock und legte mit beiden Daumen den Sicherungshebel um.
    Nun würden zwei Welten aufeinander treffen.
    Der Wolf schleuderte Erdschollen beiseite, ohne irgendeine Deckung, ja er machte nicht einmal Anstalten, aus Selbstschutz zurückzuweichen: Der Blutgeruch machte ihn rasend. Als Diane sah, wie sich die erdverkrustete Schnauze durch das Loch schob, schloss sie die Augen und drückte ab. Sie spürte einen warmen Schwall. Reflexartig schlug sie die Augen wieder auf und erkannte im Gegenlicht die zerfetzte Wolfsschnauze. Sie zielte auf ein Auge, wandte den Kopf ab und schoss noch einmal, und gleich darauf spürte sie, wie ihr die Geschoßhülse ins Gesicht prallte.
    Sie hatte mindestens mit einem Prankenhieb, mit einem Schnappen der Kiefer gerechnet. Es geschah nichts. Wieder riskierte sie einen Blick. Die Rauchwolken verzogen sich, und im Licht tauchte der Körper auf, die Hinterpfoten lang ausgestreckt, als habe das Tier sich gereckt. Der Wolf lag leblos da. Enthauptet.
    Diane schob ihn beiseite, stopfte das Loch wieder zu, dann kroch sie zu Giovannis Gesicht zurück. Sie küsste ihn und flüsterte: »Wir haben ihn, wir haben ihn, wir haben ihn …« Sie weinte und lachte zugleich, während sie das Magazin aus dem Lauf zog, um die restlichen Kugeln zu zählen. Immer wieder flüsterte sie: »Wir haben ihn, wir haben ihn …«. Und dabei kam ihr zu Bewusstsein, dass es – zumindest bisher – keineswegs ihr Wissen um das Verhalten der Raubtiere gewesen war, das sie gerettet hatte.
    In diesem Moment drang strahlendes Licht in die Finsternis der Grube.
    Alles wurde auf einmal sichtbar. Der Himmel. Die Sonne. Die Kälte. Und die schrägen Schatten der Planken, die eine nach der anderen aus ihrer Position gerissen wurden. Diane schrie auf und ließ Pistole und Magazin fallen. Doch ihr Geschrei war nichts im Vergleich zum Gebrüll des Bären, der in voller Höhe über der Grube aufragte und die letzten Planken beiseite fegte, als wären es Streichhölzer. Dann beugte das Tier sich in die Grube hinab, streckte seine schwarze Schnauze vor und stieß ein neuerliches zorniges Gebrüll aus, unter dem sein braunes Fell sich sträubte.
    Diane und Giovanni drückten sich in die andere Ecke des Lochs. Das Tier beugte sich tiefer und peitschte mit den Tatzen die Luft. Mit dem Rücken zur Wand gelang es Giovanni, sich halb in die Höhe zu stemmen. Diane warf ihm einen entsetzten Blick zu, er aber packte sie am Kragen und sagte: »Hau ab. Hau ab! Mit mir ist es sowieso aus.«
    Im nächsten Augenblick stand er schwankend auf dem Geäst und taumelte auf das Untier zu. Diane war fassungslos. Es dauerte mehrere Sekunden, bis sie begriff, dass Giovanni, der gutmütige Ethnologe, der junge Mann, der aussah wie eine Zuckerstange, sich für sie opferte.
    Sie sah ihn vor dem Tier hin und her wanken, während sie sich, auf beide Hände gestützt, aus der Grube hievte. Im selben Moment vernahm sie ein neuerliches Brüllen, blickte auf und sah, wie der Bär mit einer Tatze den Mann zwei Meter weit schleuderte. Diane hockte wie gelähmt auf dem Grubenrand und war nicht imstande zu fliehen. In einem neuen Anfall von Raserei riss der Grisly seinem Opfer die Brust auf. In konvulsivischen Bildern sah Diane, wie ihrem Freund ein blutiger Brei zwischen den Lippen hervorquoll.
    Nun war sie es, die aufschrie.
    Sie sprang in die Grube hinab, suchte nach der Glock, rammte das Magazin in den Lauf. Unterdessen verschlang der Bär den Kopf des Italieners. Diane durchquerte die Grube, holte Schwung und stützte sich mit beiden Füßen fest auf das Geflecht aus Ästen, um zu dem Tier hinauszuspringen.
    Der Bär richtete sich auf, aus seinem Maul hing eine Maske aus Fleisch. Sie stand vor ihm mit gespreizten Beinen und klammerte sich an sein Fell, dann packte sie mit der Linken seinen Nacken, und mit der Rechten rammte sie ihm die Waffe ins Maul. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie die heiße Höhle des Gaumens, vermischt mit Fetzen von Menschenfleisch, dann

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