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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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hat mich in die Odeon-Bar eingeladen.«
    »O, ich dachte, du würdest mich nicht allein lassen.«
    »Dann hättest eben du mich einladen müssen. Es ist dir einer zuvorgekommen. Nun, du sparst hübsch Geld dabei. Kennst du das Odeon? Nach Mitternacht nur Champagner. Klubsessel, Negerkapelle, sehr fein.«
    Dies alles hatte ich nicht bedacht.
    »Ach«, sagte ich bittend, »laß dich doch von mir einladen! Ich hielt das für selbstverständlich, wir sind doch Freunde geworden. Laß dich einladen, wohin du willst, ich bitte dich.«
    »Das ist nett von dir. Aber schau, ein Wort ist ein Wort, ich habe angenommen, und ich werde hingehen. Gib dir keine Mühe mehr! Komm, nimm noch einen Schluck, wir haben ja noch Wein in der Flasche. Den trinkst du aus und gehst dann hübsch nach Hause und schläfst. Versprich mir’s.«
    »Nein, du, nach Hause kann ich nicht gehen.«
    »Ach du, mit deinen Geschichten! Bist du noch immer nicht mit dem Goethe fertig? (In diesem Augenblick fiel mir der Goethetraum wieder ein.) Aber wenn du wirklich nicht heimgehen kannst, dann bleib hier im Haus, es sind Fremdenzimmer da. Soll ich dir eins besorgen?«
    Ich war damit zufrieden und fragte, wo ich sie wiedersehen könne. Wo sie denn wohne? Das sagte sie mir nicht. Ich solle nur ein wenig suchen, dann fände ich sie schon.
    »Darf ich dich nicht einladen?«
    »Wohin?«
    »Wohin du magst, und wann du magst.«
    »Gut. Am Dienstag zum Abendessen im Alten Franziskaner, im ersten Stock. Auf Wiedersehen!«
    Sie gab mir die Hand, und erst jetzt fiel diese Hand mir auf, eine Hand, die ganz zu ihrer Stimme paßte, schön und voll, klug und gütig. Sie lachte spöttisch, als ich ihr die Hand küßte.
    Und im letzten Augenblick wandte sie sich nochmals zu mir um und sagte: »Ich will dir noch etwas sagen, wegen des Goethe. Schau, so, wie es dir mit dem Goethe gegangen ist, daß du das Bild von ihm nicht vertragen konntest, so geht es mir manchmal mit den Heiligen.«
    »Den Heiligen? Bist du so fromm?«
    »Nein, ich bin nicht fromm, leider, aber ich bin es einmal gewesen und werde es einmal wieder sein. Man hat ja keine Zeit zum Frommsein.«
    »Keine Zeit? Braucht man denn Zeit dazu?«
    »O ja. Zum Frommsein braucht man Zeit, man braucht sogar noch mehr: Unabhängigkeit von der Zeit! Du kannst nicht ernstlich fromm sein und zugleich in der Wirklichkeit leben und sie auch noch ernst nehmen: die Zeit, das Geld, die Odeon-Bar und all das.«
    »Ich verstehe. Aber wie ist das mit den Heiligen?«
    »Ja, da gibt es manche Heilige, die habe ich besonders gern: den Stefan, den heiligen Franz und andere. Von ihnen sehe ich nun manchmal Bilder und auch vom Heiland und der Muttergottes, solche verlogene, verfälschte, verdummte Bilder, und die kann ich gerade so wenig ausstehen wie du jenes Goethebild. Wenn ich so einen süßen dummen Heiland oder heiligen Franz sehe und sehe, wie andere diese Bilder schön und erbaulich finden, dann spüre ich es wie eine Beleidigung des richtigen Heilands und denke: ach, wozu hat er gelebt und so furchtbar gelitten, wenn den Leuten schon so ein dummes Bild von ihm genügt! Aber ich weiß trotzdem, daß auch mein Heiland- oder Franzbild bloß ein Menschenbild ist und an das Urbild nicht hinreicht, daß dem Heiland selbst mein inneres Heilandbild gerade so dumm und unzulänglich vorkommen würde wie mir jene süßlichen Nachbilder. Ich sage dir das nicht, um dir in deiner Verstimmung und Wut gegen das Goethebild recht zu geben, nein, du bist da im Unrecht. Ich sage es bloß, um dir zu zeigen, daß ich dich verstehen kann. Ihr Gelehrte und Künstler habt ja allerlei aparte Sachen in euren Köpfen, aber ihr seid Menschen wie andre, und auch wir andern haben unsre Träume und Spiele im Kopf. Ich habe nämlich gemerkt, gelehrter Herr, daß du ein bißchen in Verlegenheit kamst, wie du mir deine Goethegeschichte erzählen solltest – du mußtest dich anstrengen, umdeine idealen Sachen so einem einfachen Mädchen verständlich zu machen. Nun, und da möchte ich dir doch zeigen, daß du dich nicht so anzustrengen brauchst. Ich verstehe dich schon. So, und jetzt Schluß! Du gehörst ins Bett.«
    Sie ging, und mich führte ein greiser Hausdiener zwei Treppen hinauf, vielmehr, erst fragte er nach meinem Gepäck, und als er hörte, es sei keines da, mußte ich das, was er »Schlafgeld« nannte, vorausbezahlen. Dann brachte er mich, durch ein altes finstres Treppenhaus, in eine Kammer hinauf und ließ mich allein. Da stand ein dürres Holzbett, sehr

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