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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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vom tiefsten Ernst zur drolligsten Lustigkeit übergehen konnte und umgekehrt und sich dabei gar nicht änderte und verzerrte, es war wie bei einem begabten Kind. Jetzt war sie eine Weile lustig, neckte mich mit dem Foxtrott, stieß mich sogar mit den Füßen an, lobte das Essen mit Eifer, bemerkte, daß ich mir mit dem Anziehen Mühe gegeben habe, hatte aber noch eine Menge an meinem Äußeren auszusetzen.
    Zwischenein fragte ich sie: »Wie hast du das gemacht, daß du plötzlich wie ein Knabe aussahest und daß ich deinen Namen erraten konnte?«
    »O, das hast alles du selber gemacht. Begreifst du das nicht, du gelehrter Herr: daß ich dir darum gefalle und für dich wichtig bin, weil ich wie eine Art Spiegel für dich bin, weil in mir innen etwas ist, was dir Antwort gibt und dich versteht? Eigentlich sollten alle Menschen füreinander solche Spiegel sein und einander so antworten und entsprechen, aber solche Käuze wie du sind eben wunderlich und verlaufen sich leicht in eine Verzauberung, daß sie in den Augen andrer Menschen nichts mehr sehen und lesen können, daß es sie nichts mehr angeht. Und wenn dann so ein Kauz plötzlich doch wieder ein Gesicht findet, das ihn wirklich anschaut, in dem er etwas wie Antwort und Verwandtschaft spürt, ja, dann hat er natürlich eine Freude.« »Du weißt alles, Hermine«, rief ich erstaunt. »Es ist genau so, wie du sagst. Und doch bist du so ganz und gar anders als ich! Du bist ja mein Gegenteil; du hast alles, was mir fehlt.«
    »So kommt es dir vor«, sagte sie lakonisch, »und das ist gut.« Und jetzt floß über ihr Gesicht, das mir in der Tat wie ein Zauberspiegel war, eine schwere Wolke von Ernst, plötzlich sprach dies ganze Gesicht nur noch Ernst, nur noch Tragik, bodenlos wie aus den leeren Augen einer Maske. Langsam, Wort für Wort wie widerwillig hergebend, sagte sie:
    »Du, vergiß nicht, was du zu mir gesagt hast! Du hast gesagt, ich solle dir befehlen, und es würde dir eine Freude sein, allen meinen Befehlen zu gehorchen. Vergiß das nicht! Du mußt wissen, kleiner Harry: so, wie es dir mit mir geht, daß mein Gesicht die Antwort gibt, daß etwas in mir dir entgegenkommt und dir Vertrauenmacht – ebenso geht es mir auch mit dir. Als ich dich neulich im Schwarzen Adler hereinkommen sah, so müd und abwesend und schon beinah nicht mehr auf dieser Welt, da spürte ich gleich: der wird mir gehorchen, der sehnt sich danach, daß ich ihm befehle! Und das werde ich auch tun, darum habe ich dich angesprochen, und darum sind wir Freunde geworden.«
    Sie sprach so voll schweren Ernstes, so unter hohem Druck der Seele, daß ich nicht ganz mitkam und sie zu beruhigen und abzulenken suchte. Sie schüttelte das nur mit einem Zucken der Augenbrauen von sich, sah mich zwingend an und fuhr fort, mit ganz kalter Stimme: »Du mußt dein Wort halten, Kleiner, das sage ich dir, oder du sollst es bereuen. Du wirst viele Befehle von mir erhalten und wirst ihnen folgen, hübsche Befehle, angenehme Befehle, es wird dir eine Lust sein, ihnen zu gehorchen. Und zuletzt wirst du auch meinen letzten Befehl erfüllen, Harry.«
    »Ich werde«, sagte ich halb willenlos. »Was wird dein letzter Befehl für mich sein?« Ich ahnte ihn aber schon, Gott weiß warum.
    Sie schüttelte sich wie unter einem leichten Frostschauer und schien aus ihrer Versunkenheit langsam zu erwachen. Ihre Augen ließen mich nicht los. Sie wurde plötzlich noch finsterer. »Es wäre klug von mir, dir das nicht zu sagen. Ich will aber nicht klug sein, Harry, diesmal nicht. Ich will etwas ganz anderes. Paß auf, hör zu! Du wirst es hören, wirst es wieder vergessen, wirst darüber lachen, wirst darüber weinen. Paß auf, Kleiner! Ich will mit dir um Leben und Tod spielen, Brüderchen, und ich will dir meine Karten, noch eh wir anfangen zu spielen, offen zeigen.« Wie schön war ihr Gesicht, wie überirdisch, als sie das sagte! In den Augen kühl und hell schwamm wissende Trauer, diese Augen schienen schon alles irgend erdenkliche Leid gelitten und ja dazu gesagt zu haben. Der Mund sprach schwer und wie behindert, etwa so, wie man spricht, wenn einem großer Frost das Gesicht erstarrt hat; aber zwischen den Lippen, in den Mundwinkeln, im Spiel der nur selten sichtbar werdenden Zungenspitze floß, im Widerspruch zu Blick und Stimme, lauter süße spielende Sinnlichkeit, inniges Lustverlangen. In die stille glatte Stirn hing eine kurze Locke herab, von dort aus, von dieserStirnecke mit der Locke her, strömte von Zeit

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