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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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vom Tanzstrudel an die Wand gedrückt, gegen zwanzig Paare tanzten in dem sehr engen Raum. Gierig und ängstlich beobachtete ich alle Frauen, die meisten waren noch maskiert, einige lachten mich an, aber keine war Hermine. Spöttisch blickte der schöne Jüngling vom hohen Barstuhl herüber. In der nächsten Tanzpause, dachte ich, würde sie kommen und mich anrufen. Der Tanz ging zu Ende, aber niemand kam.
    Ich ging zur Bar hinüber, die in eine Ecke des kleinen niedern Raumes geklemmt war. Neben dem Stuhl des Jünglings stellte ich mich an und ließ mir Whisky geben. Während ich trank, sah ich das Profil des jungen Mannes, es sah so bekannt und reizend aus, wie ein Bild aus sehr ferner Zeit, kostbar durch den stillen Staubschleier der Vergangenheit. Oh, da durchzuckte es mich: es war ja Hermann, mein Jugendfreund!
    »Hermann!« sagte ich zögernd.
    Er lächelte. »Harry? Hast du mich gefunden?«
    Es war Hermine, nur wenig umfrisiert und leicht geschminkt, apart und bleich blickte ihr kluges Gesicht aus dem modischen Stehkragen, wunderlich klein kamen ihre Hände aus den weiten schwarzen Frackärmeln und weißen Manschetten hervor, wunderlich zierlich, in schwarz-weißen seidenen Herrensocken, ihre Füße aus den langen schwarzen Hosen.
    »Ist dies das Kostüm, Hermine, in dem du mich in dich verliebt machen willst?«
    »Bisher«, nickte sie, »habe ich erst einige Damen verliebt gemacht. Aber jetzt kommst du an die Reihe. Laß uns erst ein Glas Champagner trinken.«
    Dies taten wir, auf unsern hohen Barstühlen hockend, während nebenan der Tanz weiterging und die heiße heftige Streichmusik schwoll. Und ohne daß Hermine sich darum irgendwelcheMühe zu geben schien, wurde ich sehr bald in sie verliebt. Da sie Herrenkleider trug, konnte ich nicht mit ihr tanzen, konnte mir keine Zärtlichkeit, keinen Angriff erlauben, und während sie fern und neutral erschien in ihrer Männermaske, umgab sie mich in Blicken, in Worten, in Gebärden mit allen Reizen ihrer Weiblichkeit. Ohne sie nur berührt zu haben, unterlag ich ihrem Zauber, und dieser Zauber selbst blieb in ihrer Rolle, war ein hermaphroditischer. Denn sie unterhielt sich mit mir über Hermann und über die Kindheit, über meine und ihre, über jene Jahre vor der Geschlechtsreife, in denen das jugendliche Liebesvermögen nicht nur beide Geschlechter, sondern alles und jedes umfaßt, Sinnliches und Geistiges, und alles mit dem Liebeszauber und der märchenhaften Verwandlungsfähigkeit begabt, die nur Auserwählten und Dichtern auch noch in späteren Lebensaltern zuzeiten wiederkehrt. Sie spielte durchaus den Jüngling, rauchte Zigaretten und plauderte leicht und geistvoll, oft ein wenig spottlustig, aber alles war von Eros durchschienen, alles verwandelte sich auf dem Wege zu meinen Sinnen in holde Verführung.
    Wie gut und genau hatte ich Hermine zu kennen gemeint, und wie vollkommen neu offenbarte sie sich mir in dieser Nacht! Wie sanft und unmerklich zog sie das ersehnte Netz um mich, wie spielend und nixenhaft gab sie mir das süße Gift zu trinken!
    Wir saßen und plauderten und tranken Champagner. Wir schlenderten beobachtend durch die Säle, abenteuernde Entdecker, suchten uns Paare aus, deren Liebesspiel wir belauschten. Sie zeigte mir Frauen, mit denen zu tanzen sie mich aufforderte, und gab mir Ratschläge über die Verführungskünste, welche bei dieser und bei jener anzuwenden seien. Wir traten als Nebenbuhler auf, strichen beide eine Weile derselben Frau nach, tanzten abwechselnd beide mit ihr, suchten beide sie zu gewinnen. Und doch war dies alles nur Maskenspiel, war nur ein Spiel zwischen uns beiden, flocht uns beide enger zusammen, entzündete uns beide füreinander. Alles war Märchen, alles war um eine Dimension reicher, um eine Bedeutung tiefer, war Spiel und Symbol. Wir sahen eine sehr schöne junge Frau, die etwas leidend und unzufrieden aussah, Hermann tanzte mit ihr, brachte sie zum Blühen, verschwand mit ihr in eine Sektlaube und erzähltemir nachher, sie habe diese Frau nicht als Mann erobert, sondern als Frau, mit dem Zauber von Lesbos. Mir aber ward allmählich dies ganze tönende Haus voll tanzbrausender Säle, dieses berauschte Volk von Masken zu einem tollen Traumparadies, Blüte um Blüte warb mit ihrem Duft, Frucht um Frucht umspielte ich suchend mit probenden Fingern, Schlangen blickten mich aus grünem Laubschatten verführend an, Lotosblüte geisterte über schwarzem Sumpf, Zaubervögel lockten im Gezweige, und alles führte

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