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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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bartlose Knäblein, und der Älteste, ihr Anführer, war ein korpulenter Mann in meinem Alter. Er hieß Bruder John und war so fett, dass es ihm Schwierigkeiten bereitete, sich vor mir zu verbeugen. «Er stammt aus dem Frankenreich», sagte Willibald stolz.
    «Und was hat er hier verloren?»
    «Er ist der Gesangsmeister des Königs! Er leitet den Chor.»
    «Einen Chor?», fragte ich.
    «Wir singen», sagte Bruder John mit einer Stimme, die wie Donnergrollen irgendwoher aus seinem umfangreichen Bauch aufzusteigen schien. Er winkte gebieterisch zu seinen Mönchen hinüber und rief: «Das Soli Deo Gloria . Steht auf! Tief einatmen! Auf mein Wort! Eins! Zwei!» Sie begannen einen feierlichen Gesang. «Münder auf!», brüllte Bruder John. «Den Mund aufsperren! Den Mund aufsperren wie die kleinen Vögelein im Nest! Aus dem Bauch singen! Ich höre euch nicht!»
    «Genug!», rief ich, noch bevor sie mit dem ersten Satz fertig waren. Ich warf Oswi, meinem Diener, meinen Schwertgurt zu, dann ging ich zum Feuer in der Mitte, um mich aufzuwärmen. «Warum», fragte ich Willibald, «muss ich singende Mönche durchfüttern?»
    «Es ist wichtig, dass wir mit unserem Erscheinen beeindrucken», antwortete er und beäugte misstrauisch mein schlammverspritztes Kettenhemd. «Wir sind dort die Stellvertreter von Wessex, Herr, und wir müssen den Glanz von Alfreds Hof veranschaulichen.»
    Alfred hatte mit den Mönchen auch Banner geschickt. Eines zeigte den Drachen von Wessex, während andere mit Heiligenbildern oder christlichen Symbolen bestickt waren. «Nehmen wir diese Lumpen auch mit?», fragte ich.
    «Gewiss», sagte Willibald.
    «Kann ich dann vielleicht ein Banner mitnehmen, das Thor zeigt? Oder Wotan?»
    Willibald seufzte. «Ich bitte Euch, Herr, nein.»
    «Und warum können wir kein Banner haben, auf dem eine von den weiblichen Heiligen ist?», fragte ich.
    «Das können wir ganz bestimmt», sagte Willibald, erfreut über meinen Vorschlag, «wenn Euch das gefallen würde.»
    «Eine von diesen Frauen, die nackt ausgezogen worden sind, bevor sie umgebracht wurden», fügte ich hinzu, und Pater Willibald seufzte erneut.
    Sigunn brachte mir ein Horn angewärmtes Ale, und ich gab ihr einen Kuss. «Alles in Ordnung hier?», fragte ich sie.
    Sie sah zu den Mönchen hinüber und zuckte mit den Achseln. Ich bemerkte Willibalds Neugierde, was sie anging, ganz besonders, als ich den Arm um sie legte und sie an mich zog. «Das ist meine Frau», erklärte ich.
    «Aber …», setzte er an und unterbrach sich augenblicklich. Er dachte an Æthelflæd, hatte aber nicht den Mut, ihren Namen auszusprechen.
    Ich lächelte ihn an. «Habt Ihr eine Frage, Pater?»
    «Nein, nein», antwortete er hastig.
    Ich betrachtete das größte Banner, ein reichverziertes Leinenquadrat, mit einer gestickten Kreuzigungsszene geschmückt. Es war so riesig, dass man zwei Männer brauchen würde, um damit zu paradieren, und noch mehr, falls die Windstärke eine sanfte Brise überstieg. «Weiß Eohric, dass wir mit einer ganzen Armee anrücken?», fragte ich Willibald.
    «Es wurde ihm mitgeteilt, dass er bis zu hundert Personen zu erwarten hat.»
    «Und erwartet er auch Sigurd und Cnut?», hakte ich in ätzendem Ton nach, und Willibald starrte mich einfach nur ausdruckslos an. «Die Dänen wissen über diesen Bündnisplan Bescheid», erklärte ich ihm, «und sie werden versuchen, den Vertragsabschluss zu verhindern.»
    «Verhindern? Und wie?»
    «Was glaubt Ihr wohl?», fragte ich zurück.
    Willibald wurde blasser denn je. «König Eohric schickt Männer als Begleitschutz», sagte er.
    «Schickt er sie hierher?» Ich war wütend, weil ich dachte, es würde von mir erwartet, noch mehr Männer abzufüttern.
    «Nach Huntandon», sagte Willibald, «und von dort aus bringen sie uns nach Eleg.»
    «Warum gehen wir überhaupt nach Ostanglien?», fragte ich.
    «Um den Vertrag auszuhandeln natürlich», sagte Willibald, verwirrt von meiner Frage.
    «Und warum schickt Eohric seine Männer dann nicht nach Wessex?», wollte ich wissen.
    «Eohric hat doch Männer geschickt, Herr! Er hat Ceolberht und Ceolnoth geschickt. Das Bündnis war König Eohrics Vorschlag.»
    «Aber warum wird es dann nicht in Wessex unterzeichnet und besiegelt?», beharrte ich.
    Willibald breitete die Hände aus. «Spielt das eine Rolle, Herr?», fragte er eine Spur ungeduldig. «Und wir sollen uns in drei Tagen in Huntandon treffen», fuhr er fort. «Und falls das Wetter schlecht wird …» Er beendete

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