Der sterbende König (German Edition)
dort ist Lukas, und der andere Kerl hat sich betrunken und ist nicht mitgekommen. Du weißt verflucht genau, wer wir sind, also mach das Tor auf.»
«Lass uns ein», sagte Pater Coenwulf streng, nachdem er mir einen garstigen Blick zugeworfen hatte.
«Keine Waffen», sagte der Mann.
Ich sah Steapa an. Er trug sein Langschwert an der linken Seite, sein Kurzschwert an der rechten, und über seinem Rücken hing eine Kriegsaxt. «Steapa», sagte ich zu ihm, «wie viele Männer waren es noch, die du im Kampf getötet hast?»
Meine Frage erstaunte ihn, aber er dachte über die Antwort nach. Schließlich musste er den Kopf schütteln. «Ich bin mit dem Zählen nicht nachgekommen», sagte er.
«Ich auch nicht», sagte ich und wandte meinen Blick wieder dem Mann vor uns zu. «Du kannst uns die Waffen abnehmen», erklärte ich ihm, «oder du kannst am Leben bleiben und uns durch das Tor lassen.»
Er beschloss, dass er am Leben bleiben wollte, gab seinen Männern den Befehl, die Fässer und Balken wegzuräumen und die Torflügel aufzuziehen, und so ritten wir auf den Hof. Dort waren gerade Fackeln angezündet worden und ihre wild zuckenden Flammen warfen unruhige Schatten von gesattelten Pferden, die auf ihre Reiter warteten, an die Mauern. Ich zählte etwa dreißig Männer, die bei den Pferden standen, manche in Rüstungen und alle bewaffnet, aber keiner von ihnen forderte uns heraus. Stattdessen wirkten sie ängstlich. «Er hat seine Flucht vorbereitet», sagte ich.
«Ihr sollt hier nicht reden», sagte Pater Coenwulf gereizt.
«Seid still, Ihr fader Priester», gab ich zurück.
Bedienstete kamen, um unsere Pferde wegzuführen, und wie ich erwartet hatte, verlangte ein Verwalter, dass Steapa und ich unsere Waffen abgaben, bevor wir den großen Palas betraten. «Nein», sagte ich.
«Mein Schwert bleibt bei mir», sagte Steapa mit drohender Stimme.
Der Verwalter wusste nicht, was er tun sollte, aber Pater Coenwulf schob sich einfach an dem Mann vorbei, und wir folgten ihm in den großen Palas, der von einem lodernden Feuer und Kerzen erleuchtet wurde. Die Kerzen waren auf zwei Tischen angeordnet worden, und zwischen ihnen stand ein Thron. Es gab kein anderes Wort, um diesem riesigen Stuhl gerecht zu werden, der hoch über die vielen Kerzen hinausragte und auf dem Æthelwold saß, wenn er auch im Augenblick unseres Erscheinens aufsprang und zum Rand des Podests kam, auf dem der Thron den Ehrenplatz einnahm. Noch ein zweiter Stuhl stand auf dem Podest, viel kleiner und an die Seite gerückt, und darauf saß Æthelflæd, flankiert von zwei Speerträgern. Sie sah mich, lächelte schief, und hob eine Hand, um mir zu bedeuten, dass sie unverletzt war.
Mehr als fünfzig Männer waren in dem Palas. Die meisten waren bewaffnet, trotz der Anstrengungen des Verwalters, doch auch hier wurden wir nicht bedroht. Unser Erscheinen schien für eine plötzliche Stille gesorgt zu haben. Diese Männer waren angespannt, ebenso wie die auf dem Hof. Ich kannte einige von ihnen und spürte, dass die Männer im Saal geteilter Meinung waren. Die jüngsten Männer standen am dichtesten bei dem Podest und waren Æthelwolds Unterstützer, während die älteren Männer seine Thegn waren und offenkundig unzufrieden mit dem Gang der Ereignisse. Sogar die Hunde im Saal wirkten, als hätte man ihnen eins mit der Peitsche übergezogen. Einer winselte, als wir hereinkamen, dann schlich er sich an den Rand des Saals, wo er sich zitternd auf den Boden sinken ließ. Æthelwold stand mit verschränkten Armen am Rand des Podests und bemühte sich um ein königliches Auftreten, doch mir erschien er ebenso angespannt wie die Hunde, wenn auch ein hellhaariger Mann an seiner Seite vor Unternehmungslust sprühte. «Nehmt sie gefangen, Herr», drängte der junge Mann Æthelwold.
Es gibt keine Unternehmung, die so hoffnungslos, keine Überzeugung, die so wahnwitzig, keinen Einfall, der so lächerlich ist, dass er nicht ein paar Anhänger anzieht, und der hellhaarige Jüngling, das war nicht zu übersehen, hatte Æthelwolds Sache zu seiner gemacht. Er war ein gutaussehender Bursche mit wachem Blick, breitem Kiefer und kräftigem Körperbau. Er trug sein Haar lang und im Nacken mit einem Lederband zusammengebunden. Ein zweites Band lag wie ein dünner Schal um seinen Hals und wirkte seltsam weibisch, denn es war rosafarben und aus der wertvollen und zarten Seide gemacht, die von Händlern aus einem fernen Land nach Britannien gebracht wird. Die Enden des
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