Der Stern des Untergangs
geteilt hatte, und deshalb konnte sie vermeiden, sich der Wahrheit in ihrem Herzen zu stellen.
Und nun starb Daron.
Daron, der einzige Mensch, dem Sonja je begegnet war, der aufgrund seines eigenen Seins die Einsamkeit verstand, die ihre Seele sogar den Seelen ihrer besten Freunde entfremdete; und in dieser Entfremdung hatte er ihre Treue gegenüber der gesamten Menschheit erkannt. Er hatte verstanden.
Die Tiefe des Abgrunds unter der Zikkurat war nicht größer als die von Sonjas Trauer.
Sie rutschte auf den Knien dichter heran und spürte seinen schwachen Atem an ihrer Wange. Ihre Lippen zitterten.
»Daron …?«
Seine Hand griff kraftlos nach ihrer, verfehlte sie, tastete herum. Sonja legte die Finger über seine und hielt sie, hielt sie ganz fest – hielt Daron fest.
»Daron, kannst du mich hören? Pass auf …«
Er drückte ihre Hand, schwach zunächst, dann drängender. Er hob die Lider nun ganz und blickte ihr in die Augen. Seine wirkten im orangen Fackelschein eingefallen.
»Daron …«
»Sonja, ich …« Er hustete. Frisches Blut quoll aus der Wunde und rann ihm über die Seite.
»Still, Daron. Ruh dich aus.«
»Nicht jetzt. Ich – sterbe, S-sonja …«
»Ruhig, Daron!«
»Sonja, ich liebe dich, und ich bin ein Narr.«
»Ruhig, Daron, ruhig!«
Er lächelte, doch das machte sein Gesicht zur Grimasse. Seufzend schloss er die Augen, öffnete sie aber gleich wieder. Ihr Gesicht war seinem nahe, und er spürte ihren Atem warm auf der Wange.
»Was bin ich für ein Narr!« flüsterte er heiser. »Was versuchte ich zu beweisen? Und doch …«
»Daron, sei still! Unsere Soldaten sind dabei, die Zikkurat einzunehmen – sie werden ein Ende mit Thotas machen. Ich hole jetzt Ban-Itos herein. Er kann dir helfen. Er wird dich heilen …«
»Für mich gibt es keine Heilung mehr. Ich sterbe, Sonja. Und ich möchte sterben. Kannst du das verstehen? Oder glauben? Ich nicht, und doch …«
»Bitte, Daron, bitte! Du bist verwundet, doch Ban-Itos kann dir wirklich …«
»Ich möchte sterben, Sonja. Ich muss – um meines Vaters willen –, das schulde ich den Menschen, wer immer und wo immer sie auch sind. Ich schulde es dir …«
»Daron! Wie kannst du so etwas sagen!«
»Ich würde dir nur Leid bringen, Sonja, wenn ich am Leben bliebe. Weißt du das nicht?«
»Ich weiß es nicht. Und es ist mir egal!«
»Mir nicht. Ich bin der – Sohn eines bösen Zauberers. Und du …«
»Mitra, es stört mich nicht!« rief sie. Tränen rannen über ihre Wangen. »Ich war die Närrin, Daron – ich wusste nicht, wie sehr ich dich liebe! Mutter Mitras, ich schwöre bei den Göttern, dass ich nie zuvor in meinem Leben so empfand! Nie, nie!«
»Sonja …«
»Ich liebe dich, Daron. Bei den Göttern des Himmels, den Teufeln der Höllen – Mitra, hilf mir! Ich - ich liebe dich!«
Ihre Hand drückte seine. Er quetschte ihre Finger und ächzte vor Schmerz, als seine Wunde sich erneut öffnete und das Blut hervorquoll. Sonja schluchzte und beugte sich noch tiefer über ihn. Ihre Tränen sickerten auf sein Gesicht, als sie ihres an seine Wange drückte. Dann hob sie den Kopf und blickte tief in Darons brennende Augen.
»Ich liebe dich …«
Sie drückte ihren Mund auf seinen und küsste ihn fest. Schließlich zog sie ihn zurück und wischte sich schluchzend die Tränen vom Gesicht.
»Ihr Götter!« stöhnte Daron und versuchte, den Kopf ein bisschen zu heben. »Mir gehörte die Welt …«
Übermannt von ihren Gefühlen warf Sonja den Kopf zurück und starrte auf die rauchige Decke der Kammer. »Ihr wahnwitzigen Götter der Schöpfung!« würgte sie mit zittriger Stimme hervor. »Ich liebe diesen Mann, ich liebe ihn! Gebt ihn mir zurück!«
»Was habe ich getan?« ächzte Daron. Sein Händedruck wurde mit seinem verebbenden Leben schlaffer. »Das - Sonja, wollte ich nicht. Nicht …«
»Ich liebe ihn!« brüllte Sonja zur gleichgültigen Decke hoch. »Lasst ihn nicht sterben!«
»Sonja …«
»Daron! Daron!« Seine Hand lag kraftlos und kalt in ihrer.
»Diesen – Schmerz wollte ich – dir nicht zufügen …« Er hustete Blut. »Die Welt – war unser – Sonja …«
»Daron, nein! Nein!« Sie rieb verzweifelt seine Hand, blickte in seine sich schließenden Augen, küsste ihn auf die Stirn, die Augen, die Lippen …
Seine reglosen Lippen.
Seine Hand in ihrer war nun völlig schlaff.
»Nein!« heulte Sonja. »Nein!«
Sie stand auf, beugte sich über ihn, nahm sein Gesicht in ihre Hände. Einen langen
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