Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Tempelberg verließ.«
»Niah«, flüsterte Aschure. »Vielen Dank, Isgriff …
Onkel.«
»Ich ziehe Isgriff vor.« Er führte ihre Hand an seine
Lippen und küßte sie sanft, »aber ich heiße Euch im
Hause Nor willkommen. Später, wenn wir etwas mehr
Zeit füreinander haben, will ich Euch gern mehr von
Eurer Mutter erzählen.«
»Isgriff?« fragte der Krieger rasch. »Wißt Ihr vielleicht irgend etwas über das Geheimnis um Aschures
Zeugung? Etwa gar, wer ihr Vater ist?«
Isgriff schüttelte den Kopf. »Nein, oder besser nicht viel.
Irgendjemand teilte uns eines Tages mit, daß Niah den
Tempel verlassen habe. Meine Schwester war nicht die
erste, die dem Orden der Sterne den Rücken kehrte, obwohl so etwas recht selten vorkommt. Wir wunderten uns
jedoch sehr darüber, da Niah so glücklich dort gewesen
war. Ich begab mich wenig später zum Tempelberg, um
mich nach den näheren Umständen zu erkundigen. Aber
die Schwestern konnten oder wollten mir nichts sagen.
Sie teilten mir lediglich mit, daß Niah einfach eines Tages weggegangen sei.«
»Um nach Smyrdon zu wandern und dort Hagen zu
heiraten?« entfuhr es Aschure. »Warum? Das verstehe
ich nicht.« Genausowenig wie seine Gründe dafür, mich
am Leben zu lassen, da er mich doch so haßte.
Axis wandte sich an die Wächter. »Ihr wißt doch bestimmt etwas mehr darüber. Heraus mit der Sprache«,
forderte er mit harter Stimme. »Ich dulde ab sofort keine
Geheimnisse mehr zwischen uns.«
Aber Jack, der soviel mehr Kenntnisse besaß als die
anderen und auch wußte, daß die Prophezeiung immer
Aschure für den Sternenmann vorgesehen hatte und nicht
Faraday, schwieg jetzt.
Veremund breitete hilflos die Arme aus. »Axis, Ihr
müßt mir glauben, wenn ich Euch sage, daß wir heute
ebenso wie Ihr zum ersten Mal von Niah erfahren haben.
Wie könnten wir da auch nur eine Ahnung haben, warum
sie nach Smyrdon gegangen ist und dort ausgerechnet
Hagen geheiratet hat.«
»Als wenn es Euch so fremd wäre, Personen zu einer
Vermählung zu zwingen, die sie eigentlich gar nicht wollen«, fuhr der Krieger sie an.
Veremund ließ schuldbewußt den Kopf hängen. »Axis,
ich vermag Euch einfach nichts zu sagen. Aschure ist uns
Wächtern immer ein Rätsel gewesen.«
Sternenströmer erhob sich nun: »Wir können nicht ergründen, warum Niah in den Norden floh. Schließlich
wissen wir so gut wie gar nichts über sie. Noch nicht
einmal, warum sie den Tempel und den Orden verlassen
hat. Aschure, Eure Mutter hat Euch doch gesagt, Ihr sollt
zum Tempelberg gehen, um dort Antworten auf Eure
Fragen zu bekommen. Womöglich sind die Schwestern
bereitwilliger, der Tochter einer der ihren Auskunft zu
geben als dem Bruder.« Er holte tief Luft und sah dabei
seinen Sohn an: »Aber ich kann nicht glauben, was sie
Euch noch sagte, daß Ihr nämlich ein Kind der Götter
seid … Vielleicht hat sie das nur geglaubt, weil man es
ihr so erzählte. Womöglich hielt man es für besser, sie in
diesem Glauben zu lassen.«
Der Zauberer sah ihr jetzt offen ins Gesicht: »Aschure,
ich glaube zu wissen, wer Euer Vater ist. Wenn es
stimmt, was ich vermute, würde es eine Menge erklären
und wenigstens zum Teil Axis’ und mein Verhalten entschuldigen, als wir Euch heute morgen für Wolfstern
hielten …« Sternenströmer holte noch einmal tief Luft.
»Aschure, ich glaube, fürchte, Ihr seid die Tochter Wolfsterns!«
Jack, der still und unauffällig in einer Ecke saß, zog
verwundert die Brauen hoch. Soviel Scharfsinn hätte er
diesem Ikarier nicht zugetraut.
»Was sagt Ihr da?« rief Aschure. Aber der Krieger, der
an ihrer Seite stand, nickte zu den Ausführungen seines
Vaters.
»Meine Liebste, mein Herz«, redete er beruhigend auf
sie ein, »das würde doch so viel auf einmal erklären …
den Wolfen, die Alaunt …« Lächelnd fügte er hinzu:
»Und natürlich Euer Sonnenfliegerblut.«
Er nahm ihre Hand. »Aschure, Ihr wißt, daß Sternenströmer und ich Euch nicht widerstehen können. Erinnert Euch nur an die Beltiden-Nacht, als Euer Blut uns
beiden zusang, meinem Blut wie dem Sternenströmers.«
Axis warf seinem Vater einen kurzen Blick zu, ehe er
fortfuhr: »Wenn Ihr die Tochter Wolfsterns seid, erklärt
das auch, warum Ihr in der Lage seid, Dunkle Musik
einzusetzen. Jenseits des Sternentors muß er gelernt haben, sie zu gebrauchen und diese Fähigkeit Euch vererbt
haben.«
Die junge Frau lehnte sich zurück und dachte lange
darüber nach. Was sie eben erfahren hatte, ergab
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