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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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aufgegeben.
    »Weißt du, wo genau?« – »Nein, aber das findest du heraus. Wenn es stimmt, hast du morgen einen Platz auf der Eins. Also los.« Fünf Jahre schon arbeitete Ronny bei dieser Zeitung, und eine Leiche hatte in dieser Zeit keiner gefunden. Einen Mord, so etwas passierte vielleicht in Kristianstad, aber nicht hier draußen auf dem Land. Schlägereien hatte es hier gegeben, vor allem unter jungen Einwanderern und manchmal auch mit ihnen. Einmal war eine Frau von ihrem eifersüchtigen Ehemann mit dem Küchenmesser bedroht worden. Ein anderes Mal hatte ein betrunkener Jungbauer auf einem Sommerfest versucht, einem anderen mit der Axt den Schädel einzuschlagen, weil dieser ihn einen »Schwulen« genannt hatte. Vergewaltigungen kamen vor, in meistens unklaren Verhältnissen, bei denen wiederum der Alkohol eine große Rolle spielte. Ja, und Unfälle, erstaunlich viele Unfälle eigentlich, dafür, dass die Leute so schnell gar nicht fahren durften, und mit nichts beschäftigte sich die Leserschaft von »Skåneposten« lieber als mit Nachrichten von Unfällen. Das bewiesen die Klick-Zahlen der Online-Ausgabe. Mehr aber war in den vergangenen Jahren nicht geschehen. Ein Glück, dachte Ronny, als er in seine Jeans schlüpfte, dass die Zeitung am Sonntag nicht erscheint. Bis morgen Nachmittag, dachte er weiter, werde er schon genug zu schreiben finden. Hastig trank er noch einen Schluck kalten Kaffee aus der halbleeren Tasse und zog die Tür hinter sich zu.
    Eine kleine, fast gerade Straße führt von Osby nach Visseltofta. Nur knapp zehn Minuten brauchte Ronny in seinem alten, rostigen Toyota Corolla für die Strecke, und dabei fuhr er nicht einmal zu schnell. »She once was a true friend of mine«, dieser Vers hatte sich in seinen Kopf gebohrt und eine Endlosschleife gebildet. Als er das Dorf erreichte, war niemand zu sehen. Langsam fuhr er die Häuserzeile entlang bis zur Kirche, wendete auf dem Vorplatz, als nirgendwo eine Ansammlung von Menschen zu sehen war, und fuhr zurück. In einem Hof erblickte er einen Mann, der im ersten großen Sonnenschein des Frühlings in seinem Vorgarten ein Kindertrampolin aufbaute. Ob er vielleicht einen Polizeiwagen gesehen habe, vielleicht mit angeschalteten Sirenen? Der Mann schaute kurz auf und wies dann nach Norden, am Fluss entlang. »Jo då«, sagte er, »sie fuhren wohl Richtung Hallaryd.« Ronny schlug die Schotterstraße ein, erreichte die Anhöhe, auf der Bertil Cederblads Hof lag, der Weg machte dort einen Bogen – und da stand der weißgelbblaue Volvo-Kombi der Polizei mit eingeschaltetem Blaulicht quer auf der Straße. Dahinter hatte sich, ein seltsamer Anblick in dieser ländlichen Umgebung, fast so etwas wie ein Stau gebildet: hinter der Scheune, halb auf dem frischgepflügten Acker, ein zerbeulter Saab, der vermutlich einem Bauern gehörte, dahinter ein kleiner deutscher Skoda-Kombi, mit dessen Fahrer ein Polizist sprach, dann ein Tanklastwagen von »Skånemejerier«, der wahrscheinlich auf seiner täglichen Tour war, um die Milch von den Höfen zu holen. Unter der Linde aber stand ein Polizist und schaute auf die Straße, als erwarte er etwas Großes und Bedeutendes.
    Ronny setzte sein Auto gleichfalls auf den Acker und ging auf den Polizisten unter dem Baum zu.
    »Hej«, sagte er, »wartet ihr auf die Kollegen?« Der Polizist schaute Ronny kurz und steif an. Dann nickte er, unfreundlich.
    »Sie sind unterwegs. Müssten in einer Viertelstunde hier sein.« In Osby gab es schon seit Jahren keine Kriminalpolizei mehr. Die ganze Abteilung war jetzt in Kristianstad zu Hause, eine Stunde südöstlich, wenngleich ein paar Kriminalpolizisten in Hässleholm arbeiteten, und dahin war es nur eine halbe Stunde. Aber auch diese halbe Stunde musste gefahren werden.
    »Ihr habt eine Leiche, hörte ich. Wo ist sie denn?«
    »Da drüben. In der Scheune.« Ronnys Freundlichkeit prallte an diesem Polizisten ab.
    »Kann ich sie sehen, bitte?«
    »Nein. Spurensicherung. Da darf keiner hin, bis der Kommissar da ist. Und dann gilt: Schutzkleidung.«
    »Was meinst du? Hat sich da einer umgebracht?«
    »Sieht nicht so aus.«
    »Ich schau mal.« Ronny tat einen Schritt in Richtung Scheune. Der Polizist hob die Arme, um ihn am Weitergehen zu hindern. Nein, noch ein Schritt, und der Polizist wäre handgreiflich geworden. Vor dem Eingang zum Wohnhaus, auf einer steinernen Stufe, sah Ronny einen älteren Herrn sitzen, der sich immer wieder mit beiden Händen über das Gesicht fuhr.

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