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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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überall auf.«
    »Wie?«
    »Ein alter Spruch der New Yorker Polizei: So etwas passiert eben.«
    Eine unendlich große Wut kochte plötzlich in Ronny hoch, er holte Luft, wollte aufstehen – er wusste überhaupt nicht, was er jetzt vorhatte, wollte irgendwie an diesen unerträglichen Mann heran, wollte diese gigantische Spannung auflösen, irgendwie. Im selben Augenblick sah er, wie sich, nur etwa zehn Meter entfernt, zwei große Kerle von einem Tresen lösten, an dem sie, scheinbar im Gespräch, gelehnt hatten, und erstaunlich schnell auf ihn zukamen. Ronny sank in seinen Sessel zurück.
    Richard lächelte und schaute auf die Uhr. »In vierzig Minuten geht mein Flug. Möchten Sie noch etwas sagen?«
    »Es hat wohl keinen Sinn, wenn wir weiterreden.«
    »Das finde ich auch. Und ich hoffe, Sie haben verstanden, dass es keinen Sinn hat, wenn Sie weiterreden. Ich habe hier übrigens etwas für Sie.«
    Er griff in die Tasche seines Jacketts und holte einen Memory Stick heraus: »Das hier gehörte dem jungen Mann. Sie wissen ja, wen ich meine. Wir dachten, das sei etwas, was wir gerne gehabt hätten. Aber es war nicht so. Der Stick enthält nur Fotos seiner Freundin. Ein hübsches Mädchen. Nur sollte sie sich etwas anziehen. Sie möchte die Bilder vielleicht wiederhaben.«
    Das Gespräch war zu Ende. Ronny stand auf, benommen, zerschlagen, als hätte ihn jemand mit dem Knüppel durchgeprügelt, er vermochte sich nicht zu orientieren, sagte noch, völlig durcheinander, »have a good trip«, wie zu einem guten Bekannten, von dem man sich freundlich verabschiedet. Dann wankte er zurück zum Bahnhof. Er war schon in Malmö, als er halbwegs wieder zu sich kam. Er war froh, dass er noch da war. Er hatte das Ende dieser Geschichte erlebt, dachte er. Er war schließlich der Macht begegnet. Es war gut, dass sie jetzt aus seinem Leben verschwand. Wille tat ihm leid – und vor allem Magnus. Was für ein Opfer, und für wen? Und Katarina. Aber darüber hinaus? Nichts von Bedeutung – für Ronny Gustavsson.
    In völliger Dunkelheit fuhr er mit dem Regionalzug zurück nach Osby. Je kleiner die Ortschaften wurden, an denen der Zug hielt, je weiter er in die heimatlichen Wälder vordrang, desto besser ging es Ronny. Es war schließlich kein schlechtes Gefühl, nach Hause zurückzukehren. Er wollte mit Lorenz reden. Er brauchte diesen alten neuen Freund. Jetzt. Wenigstens einer musste sich ja einen Begriff machen. Wovon auch immer.

Zweiundsechzig
    Es wurde Weihnachten, es wurde Neujahr, und es wurde Januar. Ronny Gustavsson schrieb kleine Artikel wie immer, Reportagen aus Lönsboda, Östanå und Bjärnum, Meldungen und Nachrichten, er war bei Verkehrsunfällen dabei, meldete Schimmelbefall in der Sporthalle und berichtete von Diebstählen. Er hörte viel Musik, aber es hatten sich andere, neue Aufnahmen zwischen Bob Dylans Schallplatten gedrängt, etwas ganz Britisches zum Beispiel, nämlich Paul Wellers Album »Wild Wood« aus den frühen neunziger Jahren. Ronny hörte das Titellied mit seinem melancholischen Gesang und seinem langsamen, aber vorwärtstreibenden Beat beim Anziehen und beim Abendessen, beim Autofahren und in seiner kleinen Redaktion: »Find your way out – of the wild wild wood, / Now there’s no justice, / You’ve only yourself – that you can trust in.« Längst kannte er den Text auswendig, sang ihn mit, trommelte dazu mit der Hand auf das Lenkrad, war wild ergriffen von dieser Entschlossenheit, aus den wilden Wäldern herauszukommen: »Find your way out – of the wild wild wood.«
    An den Samstagnachmittagen saß er bei seiner Mutter im Altersheim am See. Meistens hatte sie für ihn gekocht. Manchmal las er ihr etwas vor. Biographien berühmter Schweden waren ihr am liebsten, und die Lebensgeschichte des Malers Carl Larsson war ihr größter Favorit. Es wurde doch noch Winter, im Februar, mit viel Schnee, und Ronny musste die Fenster seiner Wohnung neu abdichten. Und es war schon Mitte März, die ersten Winterlinge waren zu sehen, mit ihren dicken, knallgelben Köpfen, die Schneeglöckchen sprossen, und die Vögel hatten zu singen begonnen, als Ronny wieder eine Nachricht von Benigna Klint erhielt. Es war eine Einladung nach Lindesholm, zu einem Fest am 30 . April, zur »Walpurgisnacht«, zur Austreibung der Hexen mitsamt Tanz um das Feuer. Wer wolle, könne gern über Nacht bleiben. Auf der Karte hatte Benigna notiert, dass auch Lorenz Winkler kommen werde. Man wolle beratschlagen, wie man mit

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