Der Sturm aus dem Nichts
Graben entlang auf sich zukommen.
»Commander Lanyon!«
Es war Patricia Olsen. Sie trug noch immer ihren blauen Mantel, war zerkratzt und verschmutzt, und das blonde Haar hing ihr wirr um den Kopf.
Er eilte auf sie zu, nahm ihren Arm und half ihr, sich niederzusetzen. Sie ließ müde den Kopf an seine Schulter sinken und blickte kurz zu Charlesbys Leiche hinüber.
»Charlesby?« Als Lanyon nickte, schloß sie die Augen. »Der Arme! Wo sind die anderen?«
»Sie sind die einzige, die ich bis jetzt gesehen habe.« Lanyon blinzelte zum Himmel hinauf. Er war erschöpft, und alle Knochen taten ihm weh, und er war sicher, daß der Sturm jetzt heftiger war als vor einer Stunde, als sie den Transporter verlassen hatten. Die Luft war voll grober Sandkörner, die sich wie wütende Insekten in die Haut ihrer Gesichter bissen.
»Am besten suchen wir in einem der Gebäude Schutz. Werden Sie's schaffen?«
Sie nickte schwach. Nach einer kurzen Ruhepause legten sie gemeinsam im Laufschritt die fünfzig Yards bis zur nächsten Kaserne zurück. Lanyon hielt den Arm des Mädchens gepackt, und vereint schafften sie es und schossen um die Ecke in den Eingang hinein.
Eine Treppe führte nach unten in den Keller. Sie eilten hinunter, stolpernd auf den mit Abfall bedeckten Stufen, und fanden glücklich im Hauptkorridor einen mehr oder weniger luftdichten Raum.
Schlapp sank Patricia auf ein altes Feldbett und strich sich müde das Haar aus der Stirn. Sie zog den Mantel über ihren langen Beinen zusammen. Lanyon prüfte die Fenster. Sie lagen unter der Erde und gingen auf einen Lichtschacht hinaus, der rings um das Gebäude lief, doch die Schutzklappen waren noch in Ordnung. Sie ließen genügend Licht durch, daß er sich im Raum umsehen konnte. Er enthielt zwei Feldbetten, zwei leere Spinde und auf dem Fußboden verstreut alte Filmzeitschriften, fortgeworfene Gurte und Zigarettenstummel. Lanyon setzte sich auf das zweite Bett.
»Pat, hören Sie, ich gehe jetzt hinauf und sehe nach, ob nicht vielleicht doch noch jemand hier ist. Vielleicht tut's auch ein Telefon noch.«
Sie nickte und rollte sich auf dem Bett zusammen. Sie war bleich wie der Tod, und Lanyon fragte sich, ob die Wilsons wohl überlebt hatten.
Die Kaserne war leer. Oben pfiff der Wind durch die zerbrochenen Fenster wie ein Tornado, riß die Spinde von den Wänden und schob die Feldbetten zu unentwirrbaren Knäueln zusammen. In einem der Büros fand er ein Haustelefones funktionierte jedoch nicht. Die Kaserne war offenbar schon seit Tagen verlassen.
»Glück gehabt?« fragte Patricia, als er wieder unten war.
Er schüttelte den Kopf. »Sieht aus, als säßen wir hier fest. Drüben am anderen Ende des Exerzierplatzes stehen auf dem Hof ein paar Lastwagen. Wenn der Wind morgen etwas nachläßt, kann ich vielleicht einen in Gang bringen.«
»Glauben Sie denn, daß er nachläßt?«
»Das werde ich dauernd gefragt.« Lanyon ließ einen Augenblick den Kopf hängen. »Komisch, aber bis ich Charlesby da im Graben sah, hatte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Irgendwie war ich sogar froh. So vieles trüben in den Staaten – und übrigens auch hier in Europa – konnte ein bißchen frischen Wind gut vertragen. Aber jetzt ist mir doch klargeworden, daß ein so großer eiserner Besen zuviel guten Mutterboden mit wegfegt.«
Er lächelte sie plötzlich an. Sie lächelte zurück und sah ihn an mit einem langen, ruhigen Blick, den er ohne Zögern erwiderte. Mit ihrem blauen Mantel und der klaren, weißen Haut wirkte sie vor dem schäbigen Hintergrund der Kellerwand ein wenig wie die Madonna im Goldrahmen über dem Altar der zerstörten Kirche. Deren Haar war zwar schwarz gewesen, doch ihr Kleid hatte dieselbe Leuchtkraft besessen wie Pats aschblondes Haar.
Draußen warf sich der Wind mit Wucht über das dunkle Land.
Der Hügel war fort, verschlungen von den gigantischen Kiefern der Bulldozer-Flotte, der Mutterboden herausgegraben wie das Fleisch einer Frucht und hinweggetragen von endlosen Reihen schwerer Lastwagen.
Im flutenden Licht starker Tiefstrahler, deren Schein den wirbelnden Staub durchschnitt, wurden riesige Pylonen tief in die schwarze Erde gerammt und mit Hunderten von Stahltrossen fest verankert. Die Zwischenräume wurden mit schweren, miteinander verschweißten Stahlplatten verkleidet, so daß ein hundert Fuß hoher Windschutzschild entstand.
Und noch ehe der riesige Schild vollendet war, fuhren schon die ersten Planierraupen in die geschützte Zone
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