Der Sturm aus dem Nichts
ein, gruben ihre Stahlzähne tief in die aufgerissene Erde und ebneten ein gigantisches Rechteck ein. Stahlgußformen wurden errichtet, und Armeen schwarzgekleideter Arbeiter schwärmten aus und schütteten Tausende Kübel Zement hinein.
Wenn eine Schicht getrocknet war, wurden die Gußformen entfernt und weiter oben an den schrägen Flanken des Bauwerks wieder erstellt. Zuerst zehn, dann zwanzig und dreißig Fuß hoch, wuchs es unaufhaltsam in die dunkle Nacht empor.
3
Deborah Mason nahm das Bündel Fernschreibmeldungen von Andrew Symingtons Schreibtisch, sah sie rasch durch und fragte: »Gute Nachrichten?«
Symington schüttelte langsam den Kopf. Hinter ihm ratterten die Fernschreiber unermüdlich weiter, immer neue Meldungen spuckten die Apparate aus, die fast den ganzen Raum einnahmen und die drei Männer mit ihren Schreibtischen in einer Ecke zusammendrückten.
»Sieht schlimm aus, Deborah. Der Wind ist jetzt auf einhundertfünfundsiebzig, und es gibt kein Anzeichen für ein Nachlassen.« Er sah sie prüfend an. Die feinen Ermüdungslinien an den Augenwinkeln gaben ihrem glatten, klugen Gesicht den Ausdruck vorzeitiger Reife, obwohl sie erst fünfundzwanzig war. Im Unterschied zu den meisten Mädchen, die bei der Operationszentrale arbeiteten, wirkte sie noch immer gepflegt und adrett. Sie war der Idealtyp eines tüchtigen Karrieremädchens. Von ihr war kaum zu erwarten, daß sie sich im Falle einer Katastrophe passiv in ihr Schicksal ergeben würde. Vielmehr war sie ein Mensch, der aktiv und energisch die entsprechenden Hilfsmaßnahmen ergriff.
Und genau das war es, was sie hier in der Operationszentrale tat. Nur, daß die augenblickliche Katastrophe die ganze Welt bedrohte. Doch mit Leuten wie Deborah und Simon Marshall, dem Nachrichtenchef der OZ, hatte die Menschheit eine berechtigte Chance.
Die Zentrale, direkt dem Premierminister unterstellt, war erst vor zwei Wochen gebildet worden. Die Mitglieder entstammten, bis auf ein paar Nachrichtenspezialisten wie Symington, die aus dem Luftfahrtministerium und der Industrie kamen, zumeist dem Kriegsministerium. Die OZ diente als Nachrichtenzentrale, die alle einlaufenden Meldungen bearbeitete und aussortierte, und gleichzeitig als Exekutivbüro für die Vereinten Stabschefs und das Innenministerium. Ihr Hauptquartier befand sich im alten Admiralitätsgebäude in Whitehall und bestand aus einer Anzahl eleganter Konferenzräume und winziger Büros in den unterirdischen Bunkern unter der Horseguards Parade. Hier war Symington fast ständig zu finden; zu seiner Frau, die in längstens vierzehn Tagen ihr Baby erwartete, kehrte er gewöhnlich erst zurück, wenn sie schon schlief. Gemeinsam mit den Familien der anderen OZ-Mitglieder war sie im von der Regierung beschlagnahmten Park Lane Hotel einquartiert. Symington sah sie täglich, und als einer der wenigen Angestellten, die nicht in der Admiralität wohnten, war er in der Lage, persönlich die Berichte nachzuprüfen, die er tagsüber bearbeitete.
TOKIO: 174 mph. 99% der Stadt zerstört. Feuer in den Matsubashi-Stahlwerken breitet sich in westlichen Vororten aus. Die Anzahl der Opfer wird auf 15 000 geschätzt. Lebensmittel und Wasser für drei Tage vorhanden. Regierungsmaßnahmen auf Polizeistreifen beschränkt.
ROM: 176 mph. Verwaltungs- und Bürogebäude intakt. Vatikan ohne Dach, Peterskirche zerstört. Todesopfer: 2000. Vororte weitgehend in Trümmern. Katakomben von Regierung als Schutzräume beschlagnahmt.
NEW YORK: 175 mph. Alle Wolkenkratzer in Manhattan fensterlos und verlassen. Fernsehturm und Turm des Empire State Building eingestürzt. Freiheitsstatue ohne Kopf und Fackel. Flutwellen landeinwärts bis Central Park. City lahmgelegt. Todesopfer: 500.
VENEDIG: 176 mph. Stadt geräumt. Todesopfer: 2000. Palazzi am Canale Grande durch schwere Seen zerstört. Markusplatz unter Wasser, Campanile eingestürzt. Alle Einwohner auf Festland.
ARCHANGELSK: 68 mph. Keine Todesopfer. Keine Zerstörungen. Flugplatz und Hafen geschlossen.
KAPSTADT: 74 mph. 4 Tote. Keine Zerstörungen.
SINGAPUR: 178 mph. Stadt geräumt. Regierung nicht mehr existent. Todesopfer: 25 000.
Simon Marshall las die Berichte durch und gab sie Deborah zum Ablegen.
»Nicht gut, aber auch nicht ganz schlecht. Tokio und Singapur sind natürlich hin, aber man kann ja wohl kaum erwarten, daß diese Papphaufen einer solchen Windstärke standhalten. Schade um Venedig.«
Ein großer, kräftiger Mann von fünfzig Jahren, mit
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