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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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bringen.
    „Ich will nicht über Leo reden“, sagte Claudi prompt und zog die Augenbrauen hoch. „Ich frag dich ja auch nicht über Tanja aus. Zeig mir bloß kein Bild von ihr oder den Kindern. Ich hab keine Lust zu sagen: Oh, was für eine reizende Person! Oder: Nein, was für hübsche Buben! Sie haben deine Nase. Und überhaupt, René: Was soll das? Gibt’s da irgendwas, das ich wissen muss? Du bist so anders in letzter Zeit.“
    „Du aber auch“, sagte er und fing an, eine leere Getränkedose über den Parkweg zu kicken. Dann nahm er einen neuen Anlauf und sagte: „Nun komm schon, Claudi, erzähl mir was von Leo. Nur eine positive und eine negative Sache, dann geb ich Ruhe.“
    „Also gut. Er hat Linguistik studiert, allerdings ohne Abschluss. Letztes Jahr hat er endlich Arbeit als Übersetzer gefunden. Moderne französische Lyrik. Er ist nämlich ein halber Franzose. Das heißt, dass er nicht mehr ausschließlich Hausmann ist. Das ist das Positive.“
    „Und das Negative?“
    „Dass er jetzt Arbeit als Übersetzer gefunden hat und nicht mehr ausschließlich Hausmann ist. Seitdem kannst du in unserer Wohnung keinen Fuß mehr vor den anderen setzen. Überall liegen Klamotten rum, und der Kühlschrank ist ständig leergefuttert. Leo isst mindestens so viel wie du, nur dass bei ihm alles überm Hosenbund hängen bleibt. Aber gut, er hat andere Qualitäten.“
    „Welche denn?“
    „Er ist ein großer dicker Bär und ein richtig lieber Kerl. Jeder mag ihn. Du würdest ihn auch mögen.“
    René gab der Dose einen heftigen Tritt.
    „ Du hast mich nach ihm gefragt“, sagte sie.
    „Jaja, schon gut“, sagte er.
    „Wenn es dich beruhigt: Manchmal schäme ich mich auch für ihn, zum Beispiel, wenn wir spazieren gehen und er aus vollen Rohren My Way schmettert. Er ist nämlich ein großer Frank-Sinatra-Fan. Er hat auch eine schöne Stimme, das muss ich zugeben. Aber peinlich ist’s trotzdem.“
    René blieb stehen und sah sie an. Schläfst du noch mit ihm?, fragten seine Augen.
    Nur noch alle Jubeljahre, sagte sie stumm und hielt seinem Blick stand.
    Sie unternahm nichts, aber auch rein gar nichts, um Renés Eifersucht zu zerstreuen. Kein Wunder, dass die mit Macht aus ihm herausbrechen wollte. Um ihr ein Ventil zu geben, malträtierte er die Scheißdose, bis nur noch ein Haufen verbeultes Blech von ihr übrig war, und gab ihr zum Schluss einen Fußtritt, sodass sie im angrenzenden Wildbach landete und von den gurgelnden Fluten mitgerissen wurde.
    Danach ließen die beiden das Thema fallen und gingen wortlos weiter.
    Nach zehn Minuten schwiegen sie sich immer noch an. Bis sie schließlich eine Brücke über eine vierspurige Straße überquerten und in den nördlichen Teil des Stadtparks kamen.
    Da verspürte René plötzlich wieder diesen leichten Druck im Unterleib. Auch das noch! Montezumas Rache meldete sich zurück. Er stellte seinen Gürtel ein Loch weiter. Vergeblich. Der Druck nahm zu und ging allmählich in ein Pressen über. René versuchte sich zu entspannen und es wegzuatmen, aber das gelang ihm nicht. Irgendwann fingen seine Augen an, panisch hin und her zu schießen und die nähere Umgebung abzusuchen. Aber er sah nur Wege und Rasenflächen, die von Hundespaziergängern und Eltern mit Kindern bevölkert wurden. Von Unterholz oder sonst einer Deckung keine Spur, zumindest nicht im Umkreis von 20 Metern. Und leider fingen seine Eingeweide jetzt ernsthaft an zu rumoren.
    „René, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Claudia und sah ihn besorgt an.
    „Neeiiin …“, sagte er mit zusammengepressten Lippen.
    „Es geht dir nicht gut, das merk ich doch. Ruf morgen gleich den Arzt an und lass dir einen Termin geben, ja? Versprich es mir.“
    „Jaaa …“, sagte er und brach ab, weil ihm der Atem stockte.
    Nein, bitte nicht!
    Sekunden später gab es kein Halten mehr: Er ließ alles stehen und liegen, sprang mit einem wimmernden, halb zerquetschten Kehllaut hinter die nächste Giersch- und Brennnesselkolonie und ging dort zu Boden, um sich zu erleichtern. Das ging ganz schnell. Nach ein paar Sekunden war die Sache erledigt.
    Zum Glück hatte er Papiertaschentücher dabei. Während er sich damit so gut es ging säuberte, schirmte Claudia ihn mit ihrem Regenmantel vor den angewiderten und zugleich amüsierten Blicken der anderen Spaziergänger ab. Dann half sie ihm hoch, ging um ihn herum und klopfte seine Kleidung ab. Während er das Malheur unter einer Schicht welker Blätter verscharrte, wühlte

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